Torfrauen unter Männern: „Das ist nicht abenteuerlich“

Ottawa (dpa) - Allein unter Männern. Für Viona Harrer ist das im Alltag kein Problem: Die Frau mit den dunkelbraunen, langen Haaren freut sich, ihren Lieblingssport ausschließlich in männlicher Gesellschaft ausüben zu können.

Die 26-Jährige spielt Eishockey in der dritthöchsten Liga. Sie steht im Tor des Oberligisten EC Bad Tölz. Derzeit allerdings hat Viona Harrer das Umfeld getauscht. Bei der WM im kanadischen Ottawa hütet Harrer das 1,83 mal 1,22 Meter große Tor der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Auch die Lausitzerin Ivonne Schröder (24), ebenfalls als Keeperin bei der WM aktiv, spielt bei einem Männer-Oberligisten - Tornado Niesky. Und Jennifer Harß, dritte deutsche Torhüterin, hat sich mit dem EV Pfronten schon eine Saison in der Männer-Bayernliga versucht.

„Das ist nicht abenteuerlich für mich“, sagte Harrer zu ihrer Sonderrolle im Club. Anders als im Frauen-Nationalteam, dem sie bereits seit zehn Jahren angehört, schlug der 1,68 Meter großen und 55 Kilogramm leichten Frau bei den Männern anfangs Skepsis entgegen. „Als Frau ist es immer schwer, sich in einer Männerdomäne zu beweisen, sei es im Berufs- oder Sportlerleben“, sagte Harrer.

Das war in Erding so, wo sie vier Jahre lang für das Oberliga-Männerteam spielte, und das war auch in Bad Tölz so, wo sie im vergangenen Jahr den abgewanderten Stammtorwart Andreas Jenike ersetzte. „Mittlerweile werde ich als vollwertiges Mitglied der Mannschaft angesehen und auch dementsprechen behandelt“, sagt Harrer. Die Zweifler im Umfeld der oberbayerischen Eishockey-Metropole sind verstummt. Spätestens seitdem Harrer mit ihren Leistungen zum Playoff-Einzug ins Viertelfinale beigetragen hatte. Dort mussten sich die Tölzer allerdings den Frankfurt Lions geschlagen geben.

Den Beliebtheitsgrad wie bei den Fans in Erding hat Viona Harrer in Bad Tölz noch nicht erreicht. Damals verkaufte der Fanshop Schals mit dem Aufdruck „Rock it Baby“. Immerhin erhält sie auch in ihrem neuen Club überwiegend positive Fanpost von Leuten, die es bemerkenswert finden, wie sich die junge Frau unter Männer behauptet. „Ich bin sehr ehrgeizig“, sagt Harrer, die keine Probleme mit den bisweilen deftigen Umgangsformen in der Kabine hat: „Ich bin damit groß geworden, und höre da gar nicht mehr so genau hin.“

Frauen, die in Männerclubs spielen, haben in Nationalteams fast schon Tradition. 1990 war Maren Valenti als 13-Jährige bei einer WM dabei. Später bekam die Freiburgerin sogar eine Kurz-Anstellung bei den Berliner Eisbären, bei einem Freundschaftsspiel mischte sie mit. Die kanadische Torhüterin Manon Rhéaume, bei den Damen zweimal Weltmeisterin, wurde 1992 als erste Frau von den Tampa Bay Lightning sogar in einem Vorbereitungsspiel der nordamerikanischen Profiliga NHL eingesetzt.

Eine Extra-Behandlung erhält Harrer nicht, nur zum Duschen und Anziehen geht sie in einen anderen Raum. Ihre körperlichen Defizite gegenüber den Männern gleicht sie mit vielen Extra-Trainingseinheiten aus. „Eine solche Selbstdisziplin habe ich selten erlebt“, sagt ihr Vereinstrainer Florian Funk. Harrer profitiert davon, bei der Bundeswehr-Sportfördergruppe trainieren zu können. „Allerdings ist Torwart die einzige Position, auf der man als Frau mithalten kann.“

Harrer trainierte schon als Fünfjährige mit den Jungs. Sie stammt aus einer echten Eishockey-Familie. Vater Siegfried ist Torwart-Trainer der Grizzly Adams Wolfsburg in der DEL. Schon ihr Opa war aktiv, wie auch der Bruder. „Meine Mutter war nicht unbedingt begeistert, als ich auch noch damit angefangen habe. Sie hat mich aber immer zum Training gefahren“, erzählt die Tochter.