Umstrittene WM-Premiere im Land von Lukaschenko
Minsk (dpa) - Bundestrainer Pat Cortina will sich zur Politik nicht äußern, für Nationalstürmer Felix Schütz steht der Sport „klar an Nummer eins“. Ein schaler Beigeschmack bleibt trotzdem, wenn die Eishockey-Elite von Freitag an im autoritär geführten Weißrussland um den Weltmeistertitel spielt.
So heftig wie bereits die Vergabe des Turniers an die als letzte Diktatur Europas geltende Nation kritisiert wurde, so sehr wird nun ihr Verlauf beäugt. Zweifel begleiten das gut zweiwöchige Eishockey-Schaulaufen, ob das Weißrussland von Präsident Alexander Lukaschenko ein solches Großereignis überhaupt ausrichten sollte.
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seien erst in dieser Woche wieder zahlreiche Regimekritiker verhaftet worden. Protestiert wurde viel, gespielt wird dennoch. Der Weltverband hielt am Gastgeber fest. Ob man das Turnier boykottieren sollte, sei schwer zu beantworten, sagte der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Uwe Harnos: „Wir meinen, dass Land und Menschen durch Sportveranstaltungen und der damit einhergehenden Öffentlichkeit mehr geholfen ist.“
Die WM sollte angesichts von Repressionen gegen Regierungsgegner und politische Gefangene eine größere öffentliche Aufmerksamkeit bieten, so sieht es die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Lukaschenko hatte davor gewarnt, den Sport zu politisieren. Sein Land kann sich repräsentieren und lässt WM-Besucher ohne das ansonsten notwendige Visum einreisen.
Eishockey ist in der früheren Sowjetrepublik Nationalsport, Lukaschenko selbst gilt als leidenschaftlicher Fan. Aus den vergangenen Jahren haben die Weißrussen aber nicht viel vorzuweisen. Zuletzt entgingen sie nur knapp dem Abstieg. Dass sie ein olympisches Halbfinale erreichten, ist zwölf Jahre her.
Mit dem umstrittenen Gastgeber bekommt es auch die deutsche Auswahl zu tun, im fünften Vorrundenspiel am 17. Mai. Während übliche Verdächtige wie Russland, Finnland, Tschechien, Kanada und Schweden um die begehrte Trophäe spielen dürften, ist die deutsche Auswahl nach vielen Ausfällen und ohne einen NHL-Spieler nur Außenseiter. Eine konkrete Vorgabe hat nicht ausgerufen. „So gut zu sein wie möglich“, lautet das Credo von Bundestrainer Cortina.
Eine Überraschung ist immer drin, wie auch der Durchmarsch der Schweizer bis ins Finale im vergangenen Jahr bewies. Nach Olympia verzichten viele große Nationen auf ihre Topstars, die USA und Kanada laufen jeweils mit einem jungen Team auf. Vor vier Jahren feierte Deutschland bei der Heim-WM einen sensationellen vierten Platz. „Nur weil es ein Olympia-Jahr ist, heißt das nicht, dass die Teams alle so auftreten wie damals“, meinte Cortina. „Manchmal sind die Teams ohne Superstars motivierter als Teams mit Superstars.“
Trotz der Playoffs in der nordamerikanischen Profiliga NHL werden ein paar Hochkaräter die Fans verzücken. Der inzwischen 42 Jahre alte Jaromir Jagr (New Jersey) kann es immer noch nicht lassen und verstärkt die Tschechen. Und mit einem der größten Trümpfe der Szene strebt die Star-Auswahl der Russen nach dem bitteren Viertelfinal-Aus von Sotschi Wiedergutmachung an - mit Alexander Owetschkin. „Wir müssen die Olympischen Spiele abhaken, natürlich ist es traurig, aber es ist, wie es ist“, sagte der Torjäger, der trotz seiner 51 Treffer mit den Washington Capitals die Playoffs verpasste.
Vor zehn Jahren lief Owetschkin erstmals für Russlands A-Team bei einer WM auf, als damals 18-Jähriger. Genauso jung ist heute Leon Draisaitl. Das deutsche Toptalent wird bereits als künftiger Superstar gehandelt. Cortina ist voll des Lobes: „Er ist gut genug, sich als Leon Draisaitl einen Namen in der Eishockey-Welt zu machen.“
Viele Augen werden auf den jungen Stürmer von Samstag an gerichtet sein, wenn die Deutschen gegen Kasachstan (11.45 Uhr/Sport1) in die WM starten. Schon einen Tag vorher stehen die ersten Partien in der Minsk-Arena und der Tschischowka-Arena an: Dann startet auch Weißrussland gegen die USA ins Turnier.