Frank Wieneke: „Judo vermittelt wichtige Werte“
Olympiasieger Frank Wieneke sieht den Kampfsport als Bereicherung für die Gesellschaft. Und hofft darauf, dass er weiter zum olympischen Programm gehört.
Düsseldorf. Was Boris Becker für das Tennis, war Frank Wieneke für den Judosport in Deutschland. Mit seinem Olympiasieg 1984 in Los Angeles brachte er die japanische Kampfsportart erstmals ins Bewusstsein einer Nation, die sich sonst eher mit Fußball, Handball und Eishockey identifiziert.
Knapp 30 Jahre später ist Wieneke immer noch eine zentrale Figur. Nachdem sein Schüler Ole Bischof 2008 in Peking die Goldmedaille gewann, wurde Wieneke zum Trainer des Jahres gekürt. Doch auch nach Bischofs Rücktritt vor wenigen Monaten ist Wieneke nicht bange um die Zukunft seines Sportes, wie er am Rande des Grand Prix in Düsseldorf erklärte.
Herr Wieneke, wie passen die Kerntugenden des Judokas — Bescheidenheit, Zurückhaltung und Selbstdisziplin — mit den Vermarktungsmechanismen im Leistungssport zusammen?
Frank Wieneke: Ich denke, durchaus sehr gut. Gerade unsere Sportart verkörpert wichtige Tugenden, die auch außerhalb des Sports geschätzt werden. Werte werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, und Judo trägt dazu bei, vor allem Kindern diese Dinge zu vermitteln.
Jugend braucht auch immer Vorbilder. Wie groß ist die Lücke, die der Rücktritt von Olympiasieger Ole Bischof gerissen hat?
Wieneke: Natürlich ist Ole ein ganz besonderer Kämpfer gewesen und darüber hinaus ein wichtiger Botschafter für unseren Sport. Aber er ist im Umfeld für den Judosport immer noch sehr aktiv. Er war auch hier in Düsseldorf und engagiert sich, ist für den Nachwuchs greifbar. Aber es werden auch andere Idole nachrücken. Es wird sicher nicht so sein, dass da eine Lücke entsteht, die für zehn oder 20 Jahre nicht ausgefüllt wird. Bereits jetzt haben einige Kämpfer großes Potenzial.
An wen denken Sie dabei konkret?
Wieneke: Ich möchte mich da nicht auf einen einzelnen Namen festlegen. Zumal es auch einige Zeit dauert, olympische Medaillen zu erzielen. Nicht nur ein bis zwei Jahre, sondern meist zwei olympische Zyklen. Die nächsten, die da aktuell dran wären, sind Andreas Tölzer und Dimitri Peters. Sie werden auf jeden Fall bis Rio weitermachen. Menschlich sind beide jetzt schon große Vorbilder für unseren Nachwuchs.
Das heißt, dass Sie fest davon ausgehen, dass Judo auch nach Rio 2016 fest zum olympischen Angebot gehören wird?
Wieneke: Es wäre sehr schade, wenn diese Sportart überhaupt ins Gerede kommen würde. Judo ist weltweit beliebt. Auch in armen Ländern wie im Kaukasus und in Zentralasien. Es ist in vielen Ländern Nationalsport, was man schon daran sieht, dass bei den olympischen Eröffnungsfeiern immer wieder Judoka die Fahnenträger ihrer Länder sind. In London waren es wieder mindestens zehn. Das zeigt, wie hoch der Stellenwert ist.
In Deutschland ist Judo aber meist nur im Zusammenhang mit Olympia zu sehen. Reicht das aus?
Wieneke: Judo muss sich selbst treu bleiben. Es ist keine Fun-Sportart wie Snowboarden. Aber es ist eine Sportart, die zu 90 Prozent von Kindern und Jugendlichen gemacht wird. Und das spricht dafür, dass Judo nach wie vor eine sehr große Anziehungskraft hat.