Bierhoff fordert „beherzten“ Jahresabschluss
München (dpa) - Der Präsident ist weg, aber das größte Beben in der Geschichte des DFB soll den Fußball-Weltmeistern keinesfalls als Alibi dienen.
Im Gegenteil: Nach der Demission des Edelfans Wolfgang Niersbach nehmen Joachim Löw und Oliver Bierhoff das von Bastian Schweinsteiger angeführte Nationalteam erst recht in die Pflicht. In den Prestigeduellen mit EM-Gastgeber Frankreich am Freitag in Paris und vier Tage später in Hannover gegen die Niederlande sollen die schwarz-rot-goldenen Elitekicker jetzt erst recht für positive Fußball-Nachrichten „Made in Germany“ sorgen.
„Wir sind immer das Glanzlicht, die Freude, die Identifikation der Fans. Das müssen wir mit beherzten Auftritten und guten Leistungen zeigen“, forderte Bierhoff. Es sei „kein Geheimnis“, dass Ex-Präsident Niersbach „ganz eng mit der Nationalmannschaft verbunden“ gewesen sei, betonte Bierhoff. Entsprechend groß sei auch die Bestürzung über Niersbachs Rücktritt im Spielerkreis und noch viel mehr im Betreuerstab gewesen. „Ich denke aber, dass das keine Belastung für die Mannschaft sein wird. Die Nationalmannschaft ist ein funktionierendes System. Es trifft uns selber in der Planung für die Spiele nicht“, versicherte Bierhoff.
Die Vorbereitung auf „zwei tolle Spiele gegen zwei tolle Gegner“, wie es der ewige Nationalspieler Lukas Podolski ausdrückte, gestaltet sich für Löw unabhängig vom Verlust seines wertvollen Förderers an der Verbandsspitze schwierig genug. Nach intensiven Wochen in den Vereinen sind etliche Spieler angeschlagen oder brauchen in erster Linie Zeit zur Regeneration. Das geplante erste Mannschaftstraining sagte der Bundestrainer sogar kurzfristig ab.
Löw steht zum Jahresausklang ein komplizierter „Spagat“ bevor, wie er in München sagte. Gerade die erste Partie gegen den EM-Gastgeber ist nach der recht holprigen Qualifikation für die nächste Titelmission 2016 als Probelauf und Stimmungstest wichtig. „Es ist eine gute Möglichkeit, den Ernstfall zu proben“, stellte der Dortmunder Ilkay Gündogan fest.
„Wir wollen uns natürlich in Frankreich gut verkaufen und versuchen, ein gutes Ergebnis zu machen“, sagte Löw zur Herausforderung im Stade de France, wo am 10. Juli 2016 der nächste Europameister gekürt wird. Der Bundestrainer möchte die beiden Testspiele aber auch für personelle Experimente nutzen, ob mit Rückkehrer Mario Gomez oder Neulingen wie dem Schalker Senkrechtstarter Leroy Sané. „Ich bin auch in der Pflicht, manche Dinge auszuprobieren im Hinblick auf die EM“, kündigte Löw an. 24 Spieler hat er zur Verfügung. Der Leverkusener Christoph Kramer traf nach einer „schweren Grippe“ (Löw) am Dienstag im Münchner Quartier ein. Der Wolfsburger Max Kruse soll nach einem Muskelfaserriss zumindest gegen Oranje einsatzfähig sein.
Voller Tatendrang präsentierten sich auf dem DFB-Podium im Mannschaftshotel die Angreifer Gomez und Podolski. Die beiden 30-Jährigen versuchen seit dem Sommer, ihrer Karriere in der Türkei bei Besiktas Istanbul bzw. Lokalrivale Galatasaray neuen Schwung zu verleihen. Auch Löw hat das wohlwollend registriert. Podolski ist weiterhin ein EM-Kandidat, und Gomez darf sich 14 Monate nach seinem 60. und letzten Länderspiel wieder als Torjäger-Option empfehlen.
Die Beweggründe bei der Rückholaktion von Gomez (60 Länderspiele, 25 Tore) seien ganz einfach die Leistungen des Besiktas-Profis gewesen, begründete Löw: „Er hat es sich verdient, dass er wieder eine Chance erhält. Wenn der Mario Gomez Selbstbewusstsein hat, ist er ein Spieler, der im Sechzehner extrem gefährlich ist.“
Gomez fühlt sich nach regelmäßigen Einsätzen und acht Toren in der Süper Lig nach langer Zeit endlich wieder topfit. Er könne wieder mit „sportlichen Schlagzeilen“ aufwarten und nicht mit Verletzungen. „Ich weiß aber, dass noch viel vor mir ist“, sagte er zu einem dauerhaften DFB-Comeback. Auch Podolski warb offensiv wie lange nicht für sich: „Ich spiele regelmäßig bei Galatasaray und habe gute Leistungen gezeigt. Durch die Spiele bekomme ich wieder meine Power.“
Frankreich und die Niederlande sind erste Bewerbungsspiele für einen Platz im EM-Kader, den auch die beiden Stürmer erobern wollen. Sie würden dann Ende Mai 2016 vor dem EM-Turnier in Frankreich an einen ihnen bestens bekannten Ort zurückkehren. Denn Löw wird den Weltmeister am Lago Maggiore in der Schweiz vorbereiten, wie Manager Bierhoff offiziell bestätigte. Im Hotel Giardino in Ascona logierte das deutsche Team schon während der EM-Endrunde 2008.