Borussia Mönchengladbach Böse Überraschung in der Wundertüte

Mönchengladbach · Nach dem 1:2 gegen Augsburg sollten bei Borussia Mönchengladbach die Alarmglocken angehen. Denn jetzt kommen die großen Brocken.

Gladbachs Grant-Leon Ranos (l. nach rechts), Jan Olschowsky, Marvin Friedrich, Joe Scally und Nico Elvedi sind deprimiert.

Gladbachs Grant-Leon Ranos (l. nach rechts), Jan Olschowsky, Marvin Friedrich, Joe Scally und Nico Elvedi sind deprimiert.

Foto: dpa/Marius Becker

Sebastian Hoeneß ist zweifellos ein Fußballfachmann. Vor der Partie seines VfB Stuttgart bei Borussia Mönchengladbach bezeichnete er den Gegner als Wundertüte, von der niemand wisse, was darin steckt. Für die Überraschungsmannschaft der laufenden Saison war es ein 1:3. Für den Gegner der Gladbacher am vergangenen Sonntag sprang ein 2:1-Erfolg heraus, der erste Auswärtssieg nach 21 Gastspielen. Und Borussia Mönchengladbach war kaum mehr wiederzuerkennen. Fahrig, schläfrig, ängstlich – fast alles, was gegen den VfB Stuttgart gut war, funktionierte gegen den FC Augsburg nicht. Folgerichtig konnte die wegweisende Partie vor gut 44 000 Zuschauern im Borussia-Park nur einen Sieger haben, und der trug Grün. Tore  von Tietz und Engels reichten aus, die etwas überraschende Führung der Borussia durch Jordan umzudrehen.

Augsburg brauchte nach der Pause nur fünf Minuten, um die Partie für sich zu entscheiden. Ein Aufbäumen Gladbachs war in den noch folgenden 40 Minuten so gut wie gar nicht wahrzunehmen. Allein die Einwechslung von Stefan Lainer vermochte die Herzen der Fans noch zu erwärmen. „Das war sicher das emotionalste Spiel meiner Karriere“, sagte der 31 Jahre alte Österreicher, der den im Sommer diagnostizierten Lymphdrüsenkrebs besiegt hat. „Es ist unfassbar, wie viele Menschen in Gedanken bei mir waren. Das wird einem erst so richtig bewusst, wenn man rausgeht und alle deinen Namen schreien.“

Vom Team springt kein
Funke aufs Publikum über

Die Rückkehr des Defensivexperten war zugleich allerdings die letzte emotionale Regung der Fans. Denn ihre Mannschaft tat nichts, Funken zu erzeugen, die auf das Publikum hätten überspringen können. So war es denn an den Ultras, nach Gusto Stimmung zu machen, oder, wie am Anfang der Partie, wieder einmal zwölf Minuten zu schweigen, um ihrem Protest gegen Investoren für die DFL Ausdruck zu verleihen.

Die Schokotaler, die danach auf das Spielfeld flogen, rundeten die Aktion ab. Sie führte zu einer Spielunterbrechung von diesmal fast zehn Minuten. Nichts Neues in der Nordkurve im Borussia Park. Nichts Neues auf dem Spielfeld.

Die Mannschaft von Gerardo Seoane offenbarte wieder einmal eklatante Abwehrschwächen. Über die gesamte Spielzeit entpuppte sich  beispielsweise Joe Scally als Sicherheitsrisiko. Auf der anderen Seite hatte der bemühte Luca Netz seine Not mit Augsburgs Mbabu und war allzu oft zweiter Sieger. Aber auch der Rest der Mannschaft ließ Zweikampfhärte missen. „Wir haben die wichtigen 50 zu 50 Duelle verloren“, sagte Angreifer Robin Hack nach der Partie. Umso überraschender war die Auswechslung von Rocco Reitz in der Pause. Gladbachs Kampfmaschine im Mittelfeld kam diesmal zwar nicht richtig in die Partie, zeigte aber wenigstens die körperliche Präsenz, die seinem Ersatz Christoph Kramer im zweiten Durchgang abging. Die Folge von all dem waren zwei Gegentore, die sonst vermutlich nur im Training so fallen.

Dienstfahrten nach Leverkusen, München und Leipzig

Die Niederlage vom Sonntag gibt Anlass zur Sorge um die sportliche Zukunft des fünffachen Deutschen Meisters. Gladbach hat nun schon 38 Gegentore kassiert, dass sind annähernd zwei pro Spiel. Deshalb fallen die überdurchschnittlichen 35 erzielten Treffer auf dem Punktekonto sehr wenig ins Gewicht.

20 Zähler nach 18 Spieltagen sind noch die Bilanz einer grauen Maus in der Bundesliga. Aber angesichts der Gefahr, dass in den nächsten Wochen nicht mehr viele Punkte dazukommen dürften, ist Vorsicht geboten. „Ich hatte das Gefühl, dass wir nicht an unsere Leistungsgrenze gekommen sind“, resümierte ein sichtlich enttäuschter Seoane die insgesamt 95 Minuten im Borussia Park.

Das war unübersehbar und ist misslich angesichts der bevorstehenden Aufgaben. Für Borussia Mönchengladbach stehen an den nächsten vier Spieltagen drei Auswärtspartien an. Sie führen die Fohlenelf am kommenden Samstag zum Tabellenführer Bayer Leverkusen. Eine Woche später wartet der FC Bayern München auf den einstigen Rivalen vom Niederrhein. Dazwischen besucht Aufsteiger Darmstadt die Gladbacher, die es danach in Sachsen mit RB Leipzig zu tun bekommen. Da droht Ungemach für die Tordifferenz und für das Punktekonto.

Mithin muss sich der Blick zumindest prophylaktisch nach unten richten am linken Niederrhein, dorthin also, wo Darmstadt, Mainz und Köln ums Überleben kämpfen. Und vielleicht geht der Blick auch zum Asien-Cup, bei dem Gladbach ein frühes Ausscheiden der Japaner eher nicht bedauerte. Denn dort spielt derzeit noch Ko Itakura, von dem die sportliche Leitung der Borussia sich mehr defensive Stabilität erhofft.

Was steckt in den nächsten Wochen in der Wundertüte?

Die wird dringend nötig sein, um alle Abstiegsängste erst gar nicht groß werden zu lassen. Dazu brauchte es in den nächsten Wochen die andere Borussia aus der Wundertüte, die Borussia, die Stuttgart mit bemerkenswerter Resilienz niedergerungen, die Wolfsburg mit 4:0 bezwungen und nach aufopferungsvollem Kampf gegen dieselbe Mannschaft ins Viertelfinale um den  DFB-Pokal eingezogen ist. Auch das kann die Mannschaft von Gerardo Seoane. Aber Gegner, Trainer und Zuschauer wissen nie, was in der Wundertüte steckt.