Favres Kunst des Nichtsagens

Mönchengladbach. Wenn Lucien Favres Augen sprechen könnten, wäre sein Fußball schnell entschlüsselt. Sein Blick verrät Schläue, seine Pupillen saugen alles in seiner Umgebung auf, sie reagieren schnell, sie können lachen und weinen.

Lucien Favre lässt seine Augen sprechen.

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Da die Natur das Sprechen aber anders vorgesehen hat, bedient sich der Schweizer des Wortes — das allerdings wenig bereitwillig. Und so nutzt er nachhaltig die Gelegenheit, so gut wie nichts zu sagen. „Darüber habe ich schon gesprochen“, lautet sein Mantra auf Fragen. So, als sei er gelangweilt von der Wissbegier derer, die sich auf die Suche nach dem Schlüssel seines Erfolgs und dem seiner Mannschaften — schlicht dem schönen und erfolgreichen Fußball - machen.


Das Spiel am Donnerstag (19 Uhr) in der Europa League ist aber eben ein Besonderes. Es führt Borussia Mönchengladbach mit dem FC Zürich zusammen, jenem Schweizer Club, mit dem Favre Meister wurde, ehe ihn die Bundesliga, im speziellen Dieter Hoeneß als Manager von Hertha BSC, entdeckte und engagierte. Es wird um nicht weniger als den Gruppensieg in der Europa League gespielt. Mit einem Sieg hat Gladbach das erreicht, mit einem Remis spielt Favre mit der Borussia auch im neuen Jahr weiter europäisch. Um so viel Bedeutung gerecht zu werden, hat sich Favre auf folgende Sprachregelung festgelegt: „Wir wollen unbedingt gewinnen, damit wir Erster bleiben.“ Punkt. Ich habe fertig.


Dabei ist das Treffen so etwas wie das Spiel des Jahres. Allein - das ist Favre ein Graus. Vor so viel Deutung hat er sich schnell geschützt. Spieler und Club darauf eingeschworen, immer nur von Spiel zu Spiel zu denken. Das Nächste ist stets das Wichtigste. Da kann es also gar keines des Jahres geben. Und mit Statistiken ist ihm auch nicht beizukommen. Dass Zürich von seinen letzten elf Spielen in Europa nur eines gewonnen hat, ficht ihn nicht an. „Ich weiß, dass sie Villarreal 3:2 geschlagen haben“, sagt Favre. Das ist zufällig Gladbachs ärgster Konkurrent in dieser Gruppe. „Wir haben gegen sie 1:1 und 2:2 gespielt.“ Punkt. Favre verkündet Fakten, seine Deutung ist meist konträr zu der in der Öffentlichkeit.


Gerade erst ließ er einen Fernsehmann stehen, der nach dem 3:2 gegen Berlin wissen wollte, warum es am Ende noch einmal eng wurde. „Sie sind verrückt mit Ihren Fragen“, harschte Favre den Reporter an. Womöglich ist es da auch reiner Zufall, dass Gladbach-Star Raffael, einst mit Favre beim FC Zürich unter Vertrag, nicht wie angekündigt gestern zur Pressekonferenz erschien. Halsschmerzen plagen den Brasilianer. Am Donnerstag werden sie für 90 Minuten keine Rolle spielen. Aber alles andere. Und Favres Augen werden wachsam darüber wachen.