Reportage Das erste Geisterspiel der Bundesliga - Derby der Trostlosigkeit

Mönchengladbach · Warum es Geisterspiel heißt, wenn die Zuschauer fehlen bei einem Bundesligaspiel, davon zeugt das erste Spiel ohne Zuschauer – Gladbach gegen Köln – in der Geschichte der Bundesliga.

Patrick Herrmann im leeren Stadion.

Foto: WITTERS/ChristofKoepsel

Die Fanfare vor der Verkündung der Mannschafts-Aufstellung ist merklich gedimmt in der Lautstärke. Sie verhallt im weiten Rund, verschluckt von leeren Sitzen und einer kalten Trostlosigkeit, die Premiere in der Bundesliga hat. Es ist 18.25 Uhr, die Greenkeeper stechen mit ihren Geräten in den Rasen im Borussia-Park. Es muss schließlich alles korrekt sein, dort, wo nichts mehr richtig zu sein scheint. Für die Fußball-Liebhaber.

Geister sind keine da. Warum es dennoch Geisterspiel heißt, wenn die Zuschauer fehlen bei einem Bundesligaspiel, davon zeugt das erste Spiel ohne Zuschauer in der Geschichte der Bundesliga. Zwei Fans haben vor dem Stadion ein Transparent aufgezogen: „Geisterspiel – wir wollen rein.“ Übergezogen haben sie sich ein Geisterkostüm.

Um 18.26 Uhr kommen die Spieler durch den Tunnel auf den Rasen, stellen sich auf, winken verstohlen, fast schüchtern, gen Haupttribüne. Dort sind ein paar Menschen. Das Gros sind Journalisten. Schiri Deniz Aytekin gibt um 18.29 Uhr mit einem Pfiff den Ball frei. Zu früh offenbar. Die erste Panne eines Geisterspiels im deutschen Fußball. Das Fernsehen pfeift ihn zurück. 35 Sekunden später geht es dann los. Gladbach gegen Köln. Das Derby im Rheinland, das 90. Treffen beider in der Bundesliga. Und alles ohne Zuschauer.

Geisterspiele, so sagt es der Sportpsychologe Fabian Pels von der Sporthochschule in Köln, führten zu einem negativen Gefühl bei den Spielern. Der Jubel beim Einlaufen fehle, wie auch der Rummel, kein Lärm drumherum. So ist es an diesem 11. März. Alles sei für die Spieler wie immer ansonsten. Und doch neu. Das führe dazu, dass die Profis teils aufgeregt oder verängstigt seien und gerade zu Beginn nicht ihre volle Leistungsfähigkeit erreichten. Auch da darf man den Psychologen bestätigen. Das Spiel ist zäh, scheinbar ohne Dynamik, ohne Spannung. Trainingsspiel beschreibt es vielleicht am besten. Die kennt man, Geisterspiele nicht.

Auf den Straßen in Mönchengladbach ist es ruhig

Zwei Stunden vor Spielbeginn dominiert auf der Aachenerstraße normaler Alltag. Die Straße führt ansonsten Fanströme zum Stadion, Autos dominieren den Asphalt. Der erste Polizeiwagen steht an der Haltestelle Böcklinstraße. Ein Kilometer vor dem Stadion. Auf den nächsten 400 Metern stehen drei weitere Polizei-Kastenwagen. Cornelia Weber drückt das so aus: „Ja, wir haben Kräfte reduziert. Wir sind aber nicht auf ein Minimum runtergegangen.“ Wie viele Kräfte und Fahrzeuge im Einsatz sind, sagt die Pressesprecherin im Polizei-Präsidium in Mönchengladbach nicht. Sie sagt aber: „Die Lage ist ruhig.“

Auf der Nordseite des Stadions sammeln sich rund 400 Fans, keine Geister, aber kostümiert mit den Farben des Clubs. Sie feiern, mehr bleibt ihnen nicht. Bis der Bus mit der Mannschaft vorbeifährt. Der Bus hat extra diesen Weg gewählt, es ist der einzige Kontakt zwischen Spielern und Fans. Sonst kommt der Teambus über die Hennes-Weisweiler-Allee angefahren. Dort sind auf rund 600 Metern elf Einsatzfahrzeuge der Polizei positioniert. Präsenz ist wichtig. Und sollten Fans auftauchen, werden sie sogleich der Leitstelle gemeldet. Das vertrackte für die Ordnungsmacht am Geisterspiel ist, dass die Fans nicht im Stadion sind, sie sind irgendwo da draußen, bewegen sich frei, agieren flexibel. Weber sagt: „Darum greifen heute andere Einsatz-Konzepte. Wir müssen auf andere Herausforderungen reagieren.“

Fans hat Anita Prentzas auch schon viele gesehen und bedient. Sie arbeitet an der Tankstelle, Luftlinie 300 Meter vom Stadion entfernt, an der Aachenerstraße. Diemal aber am Nachtschalter. Sicherheit geht vor. Niemand kommt in den Verkaufsraum. Die Stadt hat ein Verkaufsverbot für jegliche Getränke verhängt. Alkohol ist nicht förderlich und Flaschen kann man werfen. „Schrecklich ist es“, sagt Prentzas zum Geisterspiel. Während sie spricht, fragt eine junge Frau nach einem Six-Pack Bier. „Nein, gibt es nicht“, sagt Prentzas resolut. Sie hofft, dass es ruhig bleibt. Auf die Frage, ob sie Gladbach-Fan sei, kommt ein bestimmtes: „Jein. Ich bin neutral.“ Das waren nur wenige an diesem denkwürdigen Abend.