Gladbachs neue Einheit
Mit breiter Brust geht der Spitzenreiter ins Spiel auf Schalke. „Angst haben wir keine“, sagt Trainer Favre.
Mönchengladbach. Die Welt von Lucien Favre hält kaum mehr Überraschungen bereit. Wenn sie sich um Fußball dreht. „Es ist für mich nicht überraschend, dass Schalke auch so klar gewonnen hat gegen Helsinki“, sagt Favre und lächelt dabei.
Er hatte bereits vor dem Spiel in der Europa League vorhergesagt, dass Schalke eine Runde weiterkäme. Das grandiose 6:1 nötigt ihm zwar Respekt ab. „Aber Angst haben wir keine“, sagt Favre.
Immerhin bestreitet er am Sonntag (17.30 Uhr) mit seiner Mannschaft als Tabellenführer das Spitzenspiel des vierten Spieltags in der Fußball-Bundesliga auf Schalke. Eine Prognose lässt sich Favre jedoch nicht entlocken. „Jedes Spiel hat seine eigene Geschichte“, sagt er. „Da kann man nichts genau planen.“
Und doch tut er genau das. Seit gut sechs Monaten. Mit einem so nachhaltigen Erfolg, dass landauf, landab geforscht wird nach dem Geheimnis der Arbeit dieses Fußball-Lehrers, der Gladbach als Tabellenletzter im Februar übernommen hatte.
Favre gab einer Mannschaft ohne Kompass seine Richtung vor und eine neue Identität von modernem Fußball — wenig Foulspiel, wenige Gegentore. Dafür Ballbesitz, Breite im Spiel und die Stärkung individueller Kreativität. Das alles mündete in den Klassenerhalt, findet nun seine Fortsetzung in einer scheinbaren Leichtigkeit und fußt dennoch auf solider Trainingsarbeit.
Favres Credo lautet: Automatismen einschleifen. Mindestens drei Trainingseinheiten in der Woche setzt er taktische Übungsformen an, wechselt Spieler für Spieler durch. So beherrschen auch diejenigen Profis aus der zweiten Reihe beinahe nahtlos das System Favre.
Der Vorteil: Trotz drei fehlender Stammspieler (Stranzl, Brouwers, de Camargo) stürmte Gladbach wie im Rausch mit einem 4:1 gegen Wolfsburg an die Tabellenspitze.
Selbst Favre geriet kurz ins Schwärmen. Über das vierte Tor: „Das war nahezu perfekt.“ Sechs Spieler, vier Nationen, acht Kontakte — was bei Juan Arango in der eigenen Hälfte eher harmlos begann, entwickelte sich in den folgenden elf Sekunden zu einer atemberaubenden Aktion über Dante, Filip Daems, Roman Neustädter, Mike Hanke, erneut Neustädter, wieder Arango und schließlich Marco Reus, der das Werk perfekt vollendete.
Und doch mahnt Favre gebetsmühlenartig, es werde eine schwere Saison. Damit würde er sich vor allem dann selbst überraschen.