Interview Gladbachs Torwarttrainer spricht über mögliche Sommer-Nachfolge

Mönchengladbach · Borussia Mönchengladbachs Torwarttrainer Fabian Otte spricht im Interview über Yann Sommers möglichen Wechsel – und die Frage nach dessen Nachfolge.

Mönchengladbachs Yann Sommer.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Fabian Otte hat die halbe Welt bereist und ist seit Juli 2021 Torwart-Trainer bei Borussia Mönchengladbach. Der gebürtige Ochtruper war einst beim FC Burnley der jüngste Goalie-Coach der Premier League und gilt seitdem als Shootingstar unter den Torwarttrainern im europäischen Fußball. Sein Credo: Auch abseits des Fußballplatzes ein Vertrauensverhältnis zu seinen Torhütern aufzubauen. In Mönchengladbach passt die Chemie für ihn. Mit Yann Sommer, Tobias Sippel und Jan Olschowsky hat Otte eines der besten Torhüter-Trios in der Bundesliga unter sich. Und auch vor der Zukunft und möglichen Abgängen muss bei Borussia aus Torhütersicht offenbar niemandem Bange sein, wie er im Interview verrät. Der 32-Jährige mit Doktortitel spricht über Yann Sommer, eine mögliche Leihe von Jan Olschowsky und die vielen Talente im Fohlenstall.

Herr Otte, die Bundesliga-Pause ist zumindest trainingstechnisch vorbei. Wie haben Sie die freien Tage davor genutzt?

Fabian Otte: Der Urlaub fiel für mich relativ kurz aus, da ich mit Tobias Sippel nach seiner Verletzung ein Wiedereingliederungstraining absolviert habe. Danach habe ich noch ein paar Tage in der Sonne Kraft tanken können.

Wie geht es Tobias Sippel nach seiner Verletzung?

Otte: Er kann seit dem Start des Mannschaftstrainings wieder voll mitmachen und fühlt sich zum Glück wieder richtig gut. Die Verletzung stellt kein Problem mehr für ihn dar.

Yann Sommer genießt noch seinen Urlaub nach der WM. Wann erwarten Sie ihn zurück auf dem Trainingsplatz?

Otte: Yann wird aller Voraussicht nach ab dem 27. Dezember wieder mit der Mannschaft trainieren.

Haben Sie während oder nach der WM schon Kontakt mit ihm gehabt?

Otte: Wir haben während des Turniers mehrmals telefoniert. Natürlich habe ich seine Spiele besonders aufmerksam verfolgt. Wenn Yann jedoch bei der Nationalmannschaft ist, ist Patrick Foletti, den ich für einen der besten Torwarttrainer in Europa halte, sein erster Ansprechpartner. Da will ich auch niemandem reinreden.

Wie bewerten Sie die WM-Leistung von Yann Sommer?

Otte: Es war keine einfache Situation für ihn. Nach der Verletzung aus dem Darmstadt-Spiel blieb nicht viel Zeit, um im Training oder Spiel Wettkampfpraxis zu erhalten. Das Vorbereitungsspiel gegen Ghana war dann nach vier Wochen Verletzungspause sein erster Einsatz. Zum WM-Auftakt war er dann gegen Kamerun sofort voll da, das war sehr beeindruckend. Die spätere Erkältung hat ihn leider geschwächt. Beim 1:6 gegen Portugal im Achtelfinale lief dann vieles gegen die Schweiz und vieles für die Portugiesen. Dennoch, so finde ich, hat Yann bei der WM wieder gezeigt was ihn ausmacht.

Was macht ihn so stark?

Otte: Es ist das Gesamtpaket. Yann Sommer ist ein unheimlich professioneller Spieler, der alles dafür gibt, auf den Punkt fit und fokussiert zu sein. Er versucht aus jeder Trainingseinheit, aus jedem Essen, aus jeder Schlafphase das Maximum rauszuholen. Er hat den Ehrgeiz immer besser zu werden und spielt mutig Fußball. Seine konstanten Leistungen machen ihn so wertvoll. Zudem hat er in der Vergangenheit Bälle gehalten, die nicht jeder Torwart halten würde. Über seine außerordentliche Qualität mit dem Ball am Fuß braucht man, glaube ich, nicht viel zu sagen.

Das sind Aspekte, die Yann Sommer trotz seines Alters zu einem begehrten Mann machen. Können Sie sich vorstellen, dass er im Winter oder im Sommer noch mal einen anderen Schritt weg aus Mönchengladbach macht?

Otte: Da weiß ich ehrlicherweise nicht mehr als Sie.

Trauen Sie Yann Sommer, der vor kurzem 34 Jahre alt wurde, zu, noch mehrere Jahre auf ganz hohem Niveau zu spielen?

Otte: Definitiv. Neben seinem Willen, immer besser zu werden, profitiert er natürlich in seinem Alter jetzt auch von den Erfahrungen, die er bereits gemacht hat.

Was kommt nach Sommer auf der Torhüterposition bei Borussia Mönchengladbach?

Otte: Hinter Yann haben wir neben dem erfahrenen Tobias Sippel ganz viele talentierte Jungs bei uns, mit denen ich unglaublich gerne zusammenarbeite. Jan Olschowsky, Max Brüll, aber auch Moritz Nicolas und Jonas Kersken, die aktuell nach Kerkrade und Meppen verliehen sind, haben viel Potenzial. Da haben wir ein echtes Luxusproblem.

Jan Olschowsky sehen viele nach seinem starken Auftritt gegen Borussia Dortmund schon als designierte Nummer eins. Wie geht er mit diesem Hype um?

Otte: Die Emotionen direkt nach dem Spiel waren natürlich überwältigend. Das Spiel verlief für ihn, für mich und auch für die Fans wie im Rausch, es war eine absolute Reizüberflutung. Was danach kommt, ist jedoch entscheidend. Jan lief danach noch zwei Mal für die U23 in der Regionalliga West auf und trainierte auch mit den Jungs. Wir wollten, dass er an die Leistungen aus der Bundesliga direkt anknüpfen kann und nicht sofort nach dem Spiel gegen Dortmund in eine mehrwöchige Pause geht. Wir sind sehr zufrieden mit ihm.

Mit Blick auf die Torwart-Hierarchie: Würde eine Leihe für ihn bei einem Verbleib von Yann Sommer Sinn machen?

Otte: Ich persönlich bin ein großer Freund von Leihtransfers. In England beispielsweise wird das sehr oft praktiziert, gerade um Talenten Spielpraxis zu ermöglichen. Es muss aber immer alles passen. Der Verein, der Torwarttrainer, der Cheftrainer und auch die Art wie die Mannschaft Fußballspielen will, muss zum Stil von Borussia Mönchengladbach passen. Generell sind wir aber immer für alles offen.

Das könnte auch das Credo Ihrer täglichen Arbeit sein. Sie sind viel gereist, haben Lutz Pfannenstiel als Vorbild und beschäftigten sich auch mit neuen Formen des Torwarttrainings.

Otte: Jeder Torwart ist individuell. Für mich ist es wichtig, da ich oft in einer ganz kleinen Gruppe von Spielern unterwegs bin, nicht nur sportspezifisch gut mit ihnen zu arbeiten, sondern auch eine Harmonie und ein Vertrauen untereinander herzustellen. Bei mir hat jeder ein Mitspracherecht und ich versuche gemeinsam mit den Jungs Entwicklungsziele zu erarbeiten. Dabei orientieren wir uns natürlich auch am internationalen Torwartspiel, schauen aber auch immer mal über den Tellerrand hinaus.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus den WM-Spielen mit?

Otte: Auffällig war sicherlich, dass die großen Entscheidungen teilweise wieder im Elfmeterschießen gefallen sind. Außerdem gab es – und das ist ein länger zu beobachtender Trend – vermehrt Tore im Sechzehner und auch bereits beim ersten Kontakt. Fernschusstore und Tore nach Standards waren hingegen selten.

Mit Marc-André ter Stegen und Yann Sommer waren Borussias prägende Torwartpersönlichkeiten der vergangenen Jahre bei der WM dabei. Dürfen sich die Borussia-Fans in Zukunft auf einen möglichen Toptorwart aus der eigenen Jugend freuen?

Otte: Der Anspruch bei Borussia Mönchengladbach ist sehr hoch. Die Leistungen, die Marc-André ter Stegen und Yann Sommer bei ihren Auftritten für Borussia hier in den vergangenen Jahren gezeigt haben, hinterlassen natürlich große Fußstapfen. Nichtsdestotrotz ist es aber natürlich unser Anspruch als Verein und Trainerteam, die bestmöglichen Spieler für Borussia auszubilden.