Überblick Gladbach, Leverkusen und Co.: Welchen Stellenwert NRW-Fußballer bei der WM haben

WUPPERTAL. · Spieler von Gladbach, Dortmund, Leverkusen und Co. sind sehr präsent bei der WM in Katar. Wie weit können sie kommen? Ein Überblick.

Ilkay Gündogan (r.) hier gegen Fortuna Düsseldorfs Japaner Ao Tanaka. Unten trifft Bochums Asano gegen Neuer.

Ilkay Gündogan (r.) hier gegen Fortuna Düsseldorfs Japaner Ao Tanaka. Unten trifft Bochums Asano gegen Neuer.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Die fünf Dortmunder Niklas Süle, Nico Schlotterbeck, Julian Brandt, Karim Adeyemi und Youssoufa Moukoko sowie Jonas Hofmann von Borussia Mönchengladbach gehören bei der 22. Fußball-Weltmeisterschaft zum Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft. Damit vertreten die Farben des DFB beim Turnier in Katar lediglich zwei Vereine aus Nordrhein-Westfalen. Beim Blick auf die insgesamt 32 teilnehmenden Nationen sieht dies bereits ganz anders aus. Da entsenden sieben Klubs aus NRW 19 Spieler für zwölf Länder. Auch hier sind die beiden Borussias sehr präsent, Leverkusen bestätigt seinen Ruf als Welt-Auswahl und Japaner mögen unser Bundesland offenbar besonders gern. Wer ist für wen im Einsatz, welchen Stellenwert besitzt er im Kader und wie weit kann sein Team kommen?

GRUPPE A

Mit erst 20 Jahren Teilnehmer am Eröffnungsspiel einer Fußball-WM. Für Piero Hincapie dürfte ein Traum in Erfüllung gegangen sein. Der junge Mann aus Esmeraldas gehört sowohl bei Bayer 04 Leverkusen als auch in der Nationalmannschaft von Ecuador zum Stamm-Personal und kann entweder als Linksverteidiger in einer Viererkette oder als linker Innenverteidiger in einer Dreier-Abwehr eingesetzt werden. Beim 2:0 gegen harmlose Kataris wurde Hincapie nicht ernsthaft gefordert. Ob es für das noch recht junge Team vom Pazifischen Ozean zum Einzug ins Achtelfinale reicht, werden die Duelle mit den Niederlanden und dem Senegal zeigen müssen. Im Spiel gegen „Oranje“ trifft Hincapie auf seinen Vereinskameraden Jeremie Frimpong. Dass er dem 21-Jährigen auf dem Rasen begegnen wird, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Frimpong kann zwar nicht nur als Rechtsverteidiger sondern wie bei der „Werkself“ gezeigt auch als rechter Außenbahnspieler im von Bondscoach Louis van Gaal präferierten 3-5-2-System agieren, allerdings setzt der „Tulpen-General“ trotz Frimpongs Zweikampfstärke und Tempo auf dieser Position auf den erfahreneren Denzel Dumfries von Inter Mailand.

GRUPPE B

Jude Bellingham von Borussia Dortmund eröffnete den Torreigen für England beim 6:2 über den Iran. Der erst 19-jährige Mittelfeldspieler erzielte mit einem schönen Kopfball in der 35. Minute nicht nur das 1:0, sondern auch seinen allerersten Treffer im Trikot der „Three Lions“. Für die könnte am Ende dieser WM der erste Titel seit 1966 und für Bellingham bei weiterhin guten Leistungen am Ende der Saison der Abschied vom BVB stehen. Der schnelle Abschied vom Turnier hingegen droht dem Iran, bei dem der in Leverkusen jüngst wegen einer Verletzung lange außer Gefecht gesetzte Sardar Azmoun erst spät eingewechselt wurde. Eigentlich wollte das Regime in Teheran die Nominierung des 27-Jährigen untersagen, der portugiesische Nationaltrainer Carlos Queiroz aber setzte sich über diese Anordnung hinweg. Azmoun setzt sich vehement für die Rechte von Frauen in seiner Heimat ein und hätte im Falle einer Startelf-Nominierung wie alle seiner Mitspieler die Nationalhymne aus Protest nicht mitgesungen. Dies taten wenige Stunden später voller Inbrunst Giovanni Reyna und Joe Scally, allerdings nur vor der Mannschaftsbank der USA stehend. Sowohl der offensive Mittelfeldspieler des BVB (20) als auch der Rechtsverteidiger von Borussia Mönchengladbach (19) wurden von Nationaltrainer Gregg Berhalter (als Spieler einst Energie Cottbus sowie TSV 1860 München) beim am Ende leistungsgerechten 1:1 gegen Wales nicht eingesetzt.

GRUPPE C

Wer nicht spielt, der kann sich nicht blamieren. In dieser Hinsicht dürfte Exequiel Palacios von Bayer 04 Leverkusen vielleicht froh gewesen sein, beim peinlichen 1:2 von Argentinien gegen Saudi-Arabien nicht zum Einsatz gekommen zu sein. Ob der 24-jährige defensive Mittelfeldspieler dies nach dem Fehlstart nun noch wird, ist fraglich. Unter dem Druck, das Vorrunden-Aus zu vermeiden, dürfte Nationaltrainer Lionel Scaloni auf der „Doppel-Sechs“ eher doch auch weiterhin dem international erfahreneren Duo Rodrigo de Paul (Atletico Madrid) und Leandro Paredes (Juventus Turin) vertrauen.

GRUPPE D

Einen ganz anderen Stellenwert hat dagegen Ellyes Skhiri (27). Der defensive Mittelfeldspieler verleiht nicht nur dem zuweilen fragilen Gebilde des 1. FC Köln Stabilität und Ordnung, er ist auch der wichtigste Akteur im Kader von Tunesien. Als „Sechser“ besticht Shkiri auch bei den „Adlern von Karthago“ durch Antizipation, Zweikampfstärke, Ballsicherheit und öffnenden Pässen. Gegen Dänemark brachte dies ein 0:0 und damit einen Punkt für die in dieser Gruppe als Außenseiter geltenden Nordafrikaner.

Das genaue Gegenteil von einem Außenseiter ist Frankreich. Der Titelverteidiger untermauerte mit einem 4:1 gegen allerdings limitierte Australier seinen Anspruch, als erstes Land seit Brasilien 1962 den WM-Pokal mal wieder verteidigen zu können. Als Trainer Didier Deschamps Doppel-Torschütze Olivier Giroud per Auswechslung den berechtigten Applaus der Fans verschaffte, durfte in den letzten sieben Minuten auch der Mönchengladbacher Marcus Thuram (25) WM-Luft schnuppern.

GRUPPE E

Zwischen der 57. und 67. Spielminute standen bei der Partie gegen Deutschland für zehn Minuten doppelt so viele in NRW tätige Japaner auf dem Platz als im DFB-Team. In der Innenverteidigung trieben Maya Yoshida (34) vom FC Schalke 04 sowie der nach Verletzung auf den Punkt fit gewordene Ko Itakura (25) von Borussia Mönchengladbach die deutschen Angreifer mit Glück und Geschick zur Verzweiflung, vor ihnen bildete in Ao Tanaka (24) von Fortuna Düsseldorf der einzige Zweitliga-Akteur gemeinsam mit dem Stuttgarter Wataru Endo eine ordentliche „Doppel-Sechs“. Insgesamt stehen acht in Deutschland tätige Profis im Kader der Söhne Nippons. Fünf von ihnen erhielten ein Startelf-Mandat, zwei wurden später eingewechselt und genau diese beiden erzielten die Treffer für die „Samurai Blue“. Dass dabei das entscheidende 2:1 von Takuma Asano erzielt wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der 28-Jährige war nicht nur lange verletzt, er spielt auch für Abstiegskandidat VfL Bochum und profitierte bei seinem Treffer von unglaublichen Fehlern des in der Champions League tätigen Dortmunder Duos Süle/Schlotterbeck.

GRUPPE F

Zwei andere Akteure des BVB kamen wenige Stunden später um eine Blamage herum. Belgien besiegte Kanada mit 1:0, warum wissen nur der Fußballgott sowie der ob zweier versagter klarer Strafstöße die Kanadier im Verbund mit dem VAR krass benachteiligende Schiedsrichter Janny Sikazwe aus Sambia. Diese Szenen vor der Pause verfolgten Thomas Meunier und Thorgan Hazard lediglich von der Ersatzbank aus. Hazard (29) musste dort die gesamte Partie über schmoren, Meunier wurde zur zweiten Halbzeit eingewechselt. Der 31-Jährige sollte die teilweise konfuse Abwehr des ewigen Geheimfavoriten stabilisieren. Doch auch Meunier wirkte mit den schnellen Kanadiern lange Zeit überfordert und sah folgerichtig recht schnell die gelbe Karte.

GRUPPE G

Bis auf Remo Freuler (der nach sechs Jahren bei Atalanta Bergamo seit dieser Saison für Nottingham Forest spielt), haben oder hatten alle Schweizer in der Start-Elf gegen Kamerun einen Bundesliga-Bezug. Einer von ihnen ist Breel Embolo von der AS Monaco. Der frühere Gladbacher sicherte der „Nati“ mit seinem 1:0 die ersten drei Punkte. Ausgerechnet Embolo, der in Kamerun geboren wurde und der sich deshalb den Jubel auch verkniff.

Von den NRW-Vereinen sind aktuell drei Eidgenossen in der Wüste, von denen allerdings immer nur zwei gemeinsam auf dem Platz stehen können. Das liegt daran, dass Yann Sommer und Gregor Kobel beides Torhüter sind. Zwischen den Pfosten im überaus müden Kick gegen die Westafrikaner stand Sommer. Der 33-Jährige von Borussia Mönchengladbach ist nach einer Sprunggelenkverletzung auf den Punkt fit geworden, die fehlende Spielpraxis aber war ihm in zwei bis drei Szenen anzumerken. Auch sein Vereinskollege Nico Elvedi hatte hier und da einen Wackler und sah nach einem Foul am Münchener Eric-Maxim Choupo-Moting zudem die gelbe Karte.

Die Zeit von Gregor Kobel hingegen dürfte wohl frühestens bei der Europameisterschaft 2024 kommen. Sollte Sommer allerdings doch wieder passen müssen, wird Trainer Murat Yakin keine Bauchschmerzen bekommen. Schließlich rettete Kobel (24) Borussia Dortmund in dieser Saison etliche Bundesliga-Punkte und bewahrte die Westfalen zudem bei Zweitligist Hannover 96 vor dem Aus im DFB-Pokal.

GRUPPE H

Wenn seine Majestät Cristiano Ronaldo nicht zum großen Stinkstiefel wird und so Unruhe in den Kader Portugals bringt, dann könnten es die Iberer mit ihrer Auswahl an qualitativ hochwertigen Individualisten weit bringen. Im Europameister von 2016 hat Borussia Dortmund neben England mit Jude Bellingham wohl die größte Möglichkeit, einen Weltmeister begrüßen zu können. Raphael Guerreiro (28) kämpft in der Viererkette um den Platz als Linksverteidiger und hat auf Grund seiner Erfahrung gegenüber Nuno Mendes (20) von Paris St. Germain die Nase wohl knapp vorn. Allerdings werden Guerreiro beim BVB taktische Defizite nachgesagt. Spannend also, wie sich Trainer Fernando Santos für das erste Spiel gegen Ghana entscheiden würde. Der 68-Jährige gab dem Dortmunder den Vorzug und Guerreiro hatte beim am Ende wilden 3:2 bis Mitte der zweiten Halbzeit wenig zu tun, da die „Black Stars“ erst nach dem Rückstand ihre Mauertaktik aufgaben. Ghana wird übrigens übergangsweise von Otto Addo trainiert, der heute 47-jährige frühere Dortmunder Bundesliga-Profi ist aktuell als Talent-Manager beim BVB tätig.