Herr Ziege, haben Sie sich den Job als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach leichter vorgestellt? Sie sind heute genau 100 Tage im Amt.Ziege: Nein, ich wusste, was auf mich zukommt. Ich habe mit meiner Frau darüber gesprochen und dann einfach losgelegt. Natürlich ist es bitter, dass wir den Abstieg nicht mehr haben vermeiden können. Aber das ist vorbei. Ich schau’ nach vorne, muss hier tagein-tagaus Überzeugungsarbeit leisten. In gut einer Woche ist der Urlaub für die Lizenzspieler zu Ende. Dann beginnt das Unternehmen Wiederaufstieg. Mit welchem Spielermaterial gehen Sie ins Rennen?Ziege: Oh, je. Das ist schwierig. In den vergangenen Tagen gab es ja eine Erfolgsmeldung nach der anderen. Wir haben Brouwers geholt, Rösler, das Talent Marin hat einen neuen Vertrag unterschrieben, und ich bin natürlich froh, dass uns Steve Gohouri erhalten bleibt. Aber das reicht natürlich nicht. Vor allem brauchen wir einen Bomber im Angriff, einen Reißer. Und dann gibt es ja noch etliche unsichere Kandidaten.
"Uns fehlten Spieler, die auf dem Platz etwas bewirken wollen und mitreißen können. Du brauchst Antreiber und eine gewisse Geschlossenheit."
Über Cliquenwirtschaft in der Mannschaft, über Söldner und Spieler, denen im Abstiegskampf Biss und Leidenschaft fehlten, ist endlos geredet worden. Was erwarten Sie von der neuen Borussen-Mannschaft in der 2. Liga?Ziege: Uns fehlten Spieler, die auf dem Platz etwas bewirken wollen und mitreißen können. Du brauchst Antreiber und eine gewisse Geschlossenheit. Der Teamspirit muss stimmen und du musst dich quälen können. Auf dieser Ebene versuchen wir, die Richtigen zu erspähen und zu verpflichten.
Apropos Biss oder Härte. Von Ihnen stammt, in Bezug auf die Tugenden und die Moral des englischen Fußballs, der legendäre Satz: Wenn du liegen bleibst, dann muss schon das Bein gebrochen sein. Wie wichtig waren für Sie die Auslands-Jahre?Ziege: Ja, das habe ich gesagt. Diese Erfahrung habe ich bei Tottenham oder Liverpool gemacht. Das hängt mit dem Publikum zusammen, mit diesen grandiosen Fans. Ein Spiel auf der Insel, das ist ein gewaltiges Ereignis. Die tragen dich durchs Spiel, auch wenn du schon auf dem Zahnfleisch gehst. In gewisser Weise erziehen dich die Fans dort. Du bleibst nicht liegen. Wenn ich denke, was in der Bundesliga in dieser Beziehung für ein Brimborium auf dem Platz gemacht wird. Wenig Schmerzen, aber viel Show.
Bringt Ihr großer Name im Fußball-Bereich einen Transfer schneller ins Rollen?Ziege: Das weiß ich nicht. Es geht doch mehr denn je ums Finanzielle. Wie der Sportdirektor heißt, ist nur von sekundärer Bedeutung. Aber es ist sicher von Vorteil, wenn ein Spieler, den wir haben wollen, weiß, wovon ich oder unser Trainer Jos Luhukay reden. Das hat halt Hand und Fuß.
Sie waren in Ihrer Glanzzeit einer der weltbesten Linksaußen, sind in Ihrer Laufbahn nie vom Platz geflogen. Gibt es doch etwas, was fehlt, was Sie heute vermissen?Ziege: Ja. Ich habe in meiner Karriere nie im Bernabeu-Stadion in Madrid gespielt.
Abgesehen davon, dass Sie und die Borussia auf schnellstem Weg wieder in die erste Liga zurück wollen. Wie sieht Ihre berufliche Perspektive aus. Einmal Sportdirektor, immer Sportdirektor?Ziege: Ach wissen Sie, ich bin doch jetzt gerade mal 100 Tage im Amt. Da mache ich mir noch keine Gedanken, was in einem Jahr und später ist. Erst einmal feile ich mit Cheftrainer Jos Luhukay und unserem ganzen Team am neuen Erscheinungsbild der Borussia.