Nur kurz verwirrt: Lulu-Lächeln dank Reus

Berlin (dpa) - Fast hätte sich Lucien Favre auf den Stuhl von Markus Babbel gesetzt, um der deutschen Fußball-Gemeinde die neuen Phänomene Borussia und Marco Reus zu erklären. „

Es war ganz anders damals“, entschuldigte sich der ehemalige Berliner und jetzige Gladbacher Coach für die kurzzeitige Verwirrung bei der Wahl seines Sitzplatzes in der obligatorischen Pressekonferenz. Und „Lulu“ Favre lächelte jenes Lächeln, mit dem er von 2007 bis 2009 lange auch die Hauptstadt verzückt hatte: 25 Monate nach seinem aufsehenerregenden Abgang aus Berlin sackte der Schweizer dank seines Juwels Reus, der den 2:1-Auswärtssieg als Doppeltorschütze (33./55. Minute) sicherte, am 12. Spieltag drei besonders süße Bundesliga-Punkte ein.

„Es konnte am Ende auch ein 2:2 sein, aber es war kein unverdienter Sieg“, formulierte Favre mehrfach, nachdem er doch noch den Trainer-Gästeplatz in den Katakomben des Olympiastadions besetzt hatte. Mit viel „Organisation“, neben „polyvalent“ und „speziell“ ein Lieblingswort und zugleich eine Forderung von Favre, und vor allem mit einem unausrechenbaren Reus kehrte die Saisonüberraschung Mönchengladbach nach zwei 0:1-Niederlagen auch auswärts in die Erfolgsspur zurück. „Es war wichtig, diese Serie zu stoppen“, betonte der charmante Favre drei Tage nach seinem 54. Geburtstag.

Während Favres starke Borussen als Tabellenvierter mit jetzt 23 Punkten direkten Anschluss an die Spitze halten, müssen die Berliner mit 16 Zählern weiter den Abstand zum Keller beobachten. Dabei hatte Adrian Ramos den Aufsteiger vor 60 556 Fans noch in Führung gebracht (18.). Doch den Berlinern fehlte vor allem die Kraft für 90 Minuten Tempofußball, analysierte Favres Hertha-Nach-Nachfolger Babbel.

Dass Favre nach dem ersten Borussen-Sieg in Berlin seit mehr als neun Jahren wieder über die Qualitäten von Jung-Nationalspieler Reus sprechen sollte, amüsierte den Gladbacher Chefcoach. „Vor drei Wochen hat man noch gesagt, er schießt zu wenig Tore“, erinnerte Favre.

Jetzt erzielte Reus schon den zweiten Doppelpack nacheinander, hat insgesamt sieben Saisontreffer und drei Torevorlagen auf seinem Konto. „Nicht nur ich bin gut drauf - die ganze Mannschaft ist es“, sagte der 22 Jahre alte Matchwinner Reus bescheiden.

Bundestrainer Joachim Löw hat erkannt, dass Reus schon bei der EURO 2012 mit seinen Fähigkeiten eine wichtige Rolle im Nationalteam einnehmen könnte. Auch Spitzenclubs wie der FC Bayern haben längst die Lockstoffe ausgelegt; Reus soll im kommenden Sommer für 18 Millionen Euro Ablöse aus seinem noch bis 2015 laufenden Kontrakt mit der Borussia herauskommen. „Er hat enormes Potenzial“, sagte Favre, aber er könne auch noch viel lernen: „Er wird mit mir noch besser werden.“ Und Favre zeigte sein spezielles Lächeln: „Marco wird auch in Zukunft ein Spieler von Gladbach sein.“

Reus besitzt neben seiner Schnelligkeit und Beweglichkeit auch die Robustheit, um nach harten Attacken seinen Stil weiterzuspielen. So senste Herthas Eisenfuß Maik Franz im Mittelfeld den Ball, aber auch den Fuß von Reus weg. „Die Schiedsrichter in Deutschland machen das eigentlich sehr gut, schützen die Spieler. Das war heute eine Ausnahme: Dafür sollte es mindestens Gelb geben“, kommentierte Favre dennoch unaufgeregt. Und auch Reus blieb defensiv: „Es gehört dazu, ich lasse mich davon nicht beeinflussen.“ So blieb es ein Randthema.