Interview Schubert: "Ich bin kein Trainer, der ausschließlich auf Punktejagd geht"
Mönchengladbach. Im Nieselregen von Mönchengladbach genoss André Schubert im ersten Training nach seiner Beförderung mit einem stillen Lächeln die Gunst des Augenblicks. „Manchmal hat man das Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein“, sagte der 44-Jährige nach der längst erwarteten Unterschrift unter den Cheftrainervertrag beim Fußball.
Mit frischem Vertrag bis 2017 ging er in das Interview mit unserer Zeitung.
Herr Schubert, seit wann wissen Sie eigentlich, dass Sie neue Cheftrainer mit Vertrag bis 2017 bei Borussia Mönchengladbach sind?
André Schubert: Wir waren immer im Austausch. Am Ende stand jetzt eben noch der Vertrag an sich. Wir haben über die Wochen gut zusammengearbeitet und darüber geredet: Wie sieht man Fußball, wie will man spielen lassen, wo sieht man Entwicklungsmöglichkeiten. Irgendwann ist dann der Verein auf mich zugekommen, dann ging es relativ schnell.
Hätten Sie am 21. September, als Sie Interimstrainer für den gegangenen Lucien Favre wurden, damit gerechnet, dass das in einen Cheftrainer-Vertrag mündet?
Schubert: Ich mache mir keine Gedanken über das, was sein könnte. Dazu habe ich keine Zeit und keine Lust, es macht auch keinen Sinn. Ich mache das, was ich mache gerne, konzentriere mich darauf und schaue, was dabei herauskommt. Du kannst es ohnehin nicht alles lenken, da spielen auch Glück und Einflüsse von außen mit. Das sehe ich seit 25 Jahren so. Das ist meine Lebenseinstellung. Ich bin damit gut gefahren.
Stichwort Glück — ist es für Sie ein Glück, dass es so gelaufen ist?
Schubert: Wir haben das hier so gut gemacht, wie wir das konnten und haben das ordentlich gemacht. Ich habe ja jetzt nicht einen Sechser im Lotto, sondern eine Arbeitsstelle, die ich mit meinem Trainerteam so gut bearbeitet habe, wie es ging. Das mag sich langweilig anhören, aber so ist es eben.
Die positiven Ergebnisse haben Ihnen aber durchaus geholfen.
Schubert: Es geht nicht nur um Ergebnisse. Ich habe schon zu Max Eberl gesagt: Eigentlich müsste es immer so sein, dass Trainer und Verein sich über einige Wochen kennenlernen können. Ich bin im Sommer hierher gegangen, weil ich mit dem DFB einen seriösen Arbeitgeber hatte und mit Borussia auch wieder einen seriösen Arbeitgeber gesucht habe. Jetzt haben wir im Profibereich zusammengefunden, die Art und Weise der Arbeit deckt sich. Das hier ist ein seriöser Verein, in dem alle bodenständig sind, ohne überzogene Vorstellungen. Wie seriös der Verein ist, habe ich auch gesehen, als er bedingungslos hinter Lucien Favre stand. Nur wollte der eben nicht mehr.
War denn für Sie überhaupt klar, diesen Vertrag zu wollen?
Schubert: Ich entwickle gerne Dinge. Ich bin kein Trainer, der ausschließlich auf Punktejagd geht, sondern eine Idee und eine Mannschaft weiterentwickeln will. Fußball verändert sich permanent. Du hast eine Art zu spielen, irgendwann stellt sich der Gegner darauf ein, dann musst du wieder überlegen: Welche Aufgaben stellen wir, damit der Gegner keine Antworten darauf mehr findet? Du brauchst einen Verein, in dem sich auch andere immer weiterentwickeln wollen, in allen Teilbereichen. Da haben wir uns gefunden.
Wie wollen Sie diese Mannschaftüber die ersten Maßnahmen hinaus weiterentwickeln?
Schubert: Wir verändern den Rhythmus im Spiel inzwischen schon sehr viel mehr. Auch das Umschaltverhalten ist gänzlich anders als zuvor, das sind keine Kleinigkeiten. Klar ist auch: Je höher du kommst, desto mehr sind auch kleine Stellschrauben entscheidend. Die physische Belastung ist eine ganz andere geworden, wir zeigen ein anderes Laufverhalten, auch das Zweikampfverhalten. Taktisch wollen wir noch mehr variieren, aber wir haben im Moment wenig Zeit, daran zu arbeiten. Und wenn man Zeit hätte wie jetzt, sind alle bei den Nationalmannschaften.
Bleibt Ihr Trainerteam das gleiche?
Schubert: Klar musste man sich kennenlernen, ich kann aber sagen, dass ich mit dem Trainerstab wie er ist total zufrieden bin. Sie machen fantastische Arbeit.
Wie haben Sie die Mannschaft hinter sich gebracht, viele Spieler haben sich für Sie ausgesprochen.
Schubert: Der Ansatz ist: Wir versuchen, dass die Spieler sich immer wohlfühlen. Es wird nicht immer alles im Sinne der Spieler entschieden werden können. Aber wenn es zwei Wege gibt, und uns als Trainer diese Wege egal sind, dann kann sich die Mannschaft den aussuchen, der für sie angenehmer ist. Wir haben den Spielern früh viel Verantwortung übertragen, damit sind sie sehr gut umgegangen. Ich glaube, dass sie das mögen. Ich habe oft gesagt, dass wir hier eine kluge Mannschaft haben, diese Mannschaft kannst du gut an Lösungsprozessen teilhaben lassen. Auch der Erfolge hat es leichter gemacht. Und die Jungs, die hintendran waren, haben sich bislang auch super verhalten. Wir hatten immer eine hohe Konzentration mit einer Portion Gelassenheit. Ich glaube, das gefällt den Spielern.
Hintendran ist bislang auch Josip Drmic, ein teurer Stürmer, der bislang nicht recht Fuß fasst. Was haben Sie mit ihm noch vor?
Schubert: Was andere sagen und was er gekostet hat, interessiert mich nicht. Wir müssen sehen, dass er seine Stärken einbringen kann. Er wird natürlich ständig damit konfrontiert. Er hat das Geld nicht bezahlt, dafür kann er nichts. Leider hatten wir hier eine Krisensituation, in der wir nicht viel probieren konnten. Wir haben daran gearbeitet, und er hat im letzten Spiel einen Schritt nach vorn gemacht, da fand ich es richtig klasse, er hatte eine andere Körpersprache, war immer anspielbar, nachdem es zuvor im Spiel gegen Schalke nicht lief. Damals habe ich gesagt, dass es mir für ihn leid getan hätte. danach hieß es wieder: Schubert hat Mitleid mit Drmic. So ein Quatsch. Hier muss keiner Mitleid haben, das sind Fußballprofis. Entscheidend ist, dass er alles annimmt, über das wir reden, dass er sich bemüht. Und da gibt es keinerlei Zweifel. Ich habe da noch viel Geduld mit ihm.
Sie haben die Mannschaft sehr klar strukturiert und trotz Belastung kaum rotiert.
Schubert: Wir hatten null Punkte aus fünf Spielen, waren total verunsichert, keine wusste mehr, wie es laufen sollte. Deshalb haben wir versucht, Sicherheit zu vermitteln durch eine klare Struktur, auch durch Pärchenbildungen von Spielern, die sich kennen. Man rotiert nur aus der Stärke heraus. Wir aber brauchten Stabilität. Als wir sie hatten, kamen Verletzungen, die das rotieren gar nicht mehr möglich gemacht haben.
Gab es Übereinstimmung beim neuen Vertrag bis 2017?
Schubert: Ich finde es toll, dass mir der Verein vertraut, mehr als zwei Jahre gibt es ja fast gar nicht mehr. Für mich ist das jetzt eine logische Vertragsdauer. Max Eberl hat es ja selbst gesagt: Was sollen wir jetzt einen Vertrag bis zum Sommer 2016 machen — dann sitzen wir im Januar wieder zusammen. So können wir jetzt weitersehen, ob der Weg der richtige ist. Immerhin ist es meine erste Erstliga-Station.
Sie sind jetzt auch mit der Zukunftsperspektive beschäftigt.
Schubert: Max Eberl, Teammanager Steffen Korell und ich haben seit Amtsbeginn miteinander gearbeitet, als wenn wir schon zwei Jahre miteinander gearbeitet hätten und das auch noch weitere fünf Jahre zusammen tun. Es wurde über jede Personalie gesprochen: Völlig unbesehen der Tatsache, was in Zukunft passiert. Das war gut. Jetzt ist die Frage: Müssen wir den Kader im Winter noch ergänzen? Da ist aber Max der Ansprechpartner.
Wie anstrengend waren für Sie die letzten Wochen, in denen Sie permanent unter Beobachtung standen: Kann der das, wie macht der das?
Schubert: Ganz ehrlich: Das halte ich fast für eine Respektlosigkeit. Ich bin ja nicht im Praktikum, sondern Fußball-Lehrer, ich beschäftige mich seit 25 Jahren mit Fußball, stehe seit 25 Jahren vor Gruppen, habe 112 Zweitligaspiele als Trainer erlebt, habe beim DFB intensive Einblicke gehabt. Ottmar Hitzfeld hat doch auch irgendwann in der ersten Liga angefangen. Wenn wir nur noch Trainer verpflichten, die alle schon Erstligaerfahrung haben, werden wir in 20 Jahren keine mehr haben. Im übrigen: Beim FC St. Pauli war es übrigens auch nie anders, da wurde man auch jeden Tag beobachtet.
Trübt der Eindruck, oder sind Sie seither gelassener geworden?
Schubert: Ja, man entwickelt sich. Aus Fehlern lernst du am meisten. Das gilt für alle. ich habe gelernt, dass ich mit anderer Gelassenheit und anderem Umgang mit Stresssituationen besser klar komme. Ich nehme mich auch mal einen halben Tag raus, schalte ab. Das habe ich früher nicht gemacht. Es kann trotzdem sein, dass ich dann im Café mal Männchen verschiebe und mir Gedanken mache, aber eben nicht aus einer Stresssituation heraus. Seither gehe ich gelassener mit Mannschaft und Medien um, fühle mich als Mensch sehr viel wohler. Das merken alle in meinem Umfeld. Das hat sich tatsächlich verändert, und darüber bin ich auch froh.