Stevens knurrt nach Torwartwechsel zu Hildebrand
Gelsenkirchen (dpa) - Wenn Huub Stevens schlechte Laune hat oder sich und sein Team angegriffen fühlt, geht man besser in Deckung. Dann verteidigt er seine „Jungens“ wie eine Löwenmutter ihre Babys.
Nach dem mühsamen 1:1 von Schalke 04 gegen Borussia Mönchengladbach war es mal wieder soweit.
Dass der knorrige Niederländer aus der Haut fahren würde, wenn er nach den Gründen für den widerwillig vorgenommen Torwarttausch - Timo Hildebrand für Lars Unnerstall - gefragt würde, war vorhersehbar. Doch selbst Horst Heldt schien überrascht bis irritiert über die Heftigkeit der Reaktion des ranghöchsten Angestellten. „Unser Trainer ist nun mal sehr emotional. Wenn er seine Leute in Gefahr sieht, kämpft er. So ist er, so war er und so wird er auch immer sein“, beschwichtigte der Manager. „Wir kennen ihn doch alle. Das zeichnet ihn ja auch aus.“
Könnten Sie die Gründe für den Wechsel im Tor erläutern? Die harmlose journalistische Pflichtfrage genügte, um eine Gefühlseruption bei Stevens zu provozieren. „Das hab ich doch schon im Fernsehen gesagt. Hörst Du nicht zu? Es gab zuletzt viele Pfiffe gegen Lars. Und wenn ein junger Torwart ausgepfiffen wird, muss der Trainer was unternehmen. Dabei hat er nicht viele Fehler gemacht“, knurrte Hubertus „Huub“ Jozef Margaretha Stevens mit blitzenden Augen. „Wir wollten mit ihm mehr Ruhe haben im Stadion. Das ist uns leider nicht gelungen, denn nun sind die Pfiffe gegen die Mannschaft gekommen. Ich betone, dass es nur ein kleiner Teil der Fans ist. Ich hoffe, dass das deutlich war.“ Sogar Stevens' Nachbar, Gladbachs Trainer Lucien Favre, schien den Kopf unmerklich einzuziehen.
Seit dem Abgang von Nationalkeeper Manuel Neuer zum FC Bayern ist es dem Revierclub nicht gelungen, auf der wichtigen Position eine glücklich machende Lösung zu kreieren. Weder Ralf Fährmann (24 Jahre), noch Unnerstall (22) oder Hildebrand haben sich als optimale Dauerbesetzung erwiesen. Fährmann geriet durch den Kreuzbandriss ins Hintertreffen. Unnerstall unterliefen zwar keine kapitalen Fehler, er tat sich aber in seinen 13 Liga- und fünf Champions-League-Einsätzen dieser Saison auch selten durch überirdische Glanztaten hervor.
Und Hildebrand? Der einst als Backup für den verletzten Fährmann aus der Arbeitslosigkeit befreite Ex-Nationalkeeper verfügt zwar über viel Erfahrung, gilt mit 33 Jahren aber nicht gerade als Perspektivtorhüter und hat womöglich seine beste Zeit schon hinter sich. Auch wenn er das selbst anders sieht und öffentlich ungeniert für sich wirbt. Trotz allem hält Heldt an der von ihm und Stevens propagierten Meinung fest, man habe drei gleichstarke Torhüter: „Diese Einschätzung hat sich nicht geändert.“
Bei Gladbachs Führung durch Igor de Camargo (62.) rutschte Hildebrand der Ball unter dem Körper hindurch. „Was soll ich machen? Manchmal hältst du so einen, manchmal nicht. Er schießt mit der Pike, ich war sogar noch dran“, sagte Hildebrand, der sich über sein Comeback nach fast vier Monaten mächtig freute: „Ich bin total froh, wieder im Kasten zu stehen. Das Tor ist mein zweites Zuhause.“
Schalkes Spiel- und Ergebniskrise (5 Punkte aus 6 Spielen) nur an den Keepern festzumachen, wäre zu einfach. Die Dauerbelastung der vergangenen Wochen, eine Verletztenmisere und Formschwächen bei einigen Leistungsträgern haben Spuren hinterlassen. Stevens lobte lieber die Moral und sah nach dem ernüchternden 1:3 in Hamburg diesmal eine Steigerung. Und Favre war so fair, dass er nach Julian Draxlers Ausgleichstor (86.) anmerkte: „Der war klar verdient.“