Die „Stehaufmännchen“ vom Borussia-Park Welche Qualität Gladbach momentan besonders auszeichnet
Mömnchengladbach · Christoph Kramer schaute auf den Monitor in den Katakomben der BayArena und schmunzelte im Austausch mit den Medienvertretern: „22 Punkte, das ist unfassbar gut, jetzt stehen wir schon so lange oben.“
Hegt er etwa den Traum vom Titelgewinn? „Nein, nein, aber es ist einfach ein schöner Anblick.“ Auch Gladbachs Abwehr-Chef Matze Ginter, wie Kramer Weltmeister von 2014, bleibt auf dem Boden: „In der Kabine träumt niemand vom Titel oder fängt gar an, eine Meisterfeier zu planen.“ Die Euphorie nach dem Kraftakt unterm Bayer-Kreuz und dem siebten Saisonsieg der niederrheinischen Borussia ist gleichwohl sehr groß, die nicht nur die Nummer 1 am Rhein, sondern seit nunmehr vier Wochen auch die Nummer 1 in der Liga ist.
Dass Siege unbezahlbar und durch nichts zu ersetzen sind, ist bekannt und wird oft gepredigt. Aber Tiefschläge gehören auch dazu; die Kunst ist es, dann schnell wieder aufzustehen. Mit Niederlagen, und seien sie noch so unglücklich, umzugehen und daraus die richtigen Lehren zu ziehen, ist dann auch eine besondere Fähigkeit, eine Sache des Charakters oder der Willensstärke. Der derzeit umjubelte Tabellenführer vom linken Niederrhein ist ein treffendes Beispiel dafür, gaben doch die Profis von Borussia Mönchengladbach in dieser Saison nach verlorenen Spielen bis auf eine Ausnahme (nach dem 0:1 gegen Dortmund folgte immerhin ein 1:1 in Rom) stets die richtige Antwort – und siegten. Allen Verletzungsproblemen und dem Kräfteverschleiß zum Trotz. „Es gibt auch keine Alternative, wir müssen da durch“, konstatiert Cheftrainer Marco Rose, „die Jungs machen es mir aber auch leicht, weil sie ihre Aufgaben annehmen und haben einfach Bock drauf.“
Sie sind halt die „Stehaufmännchen“ vom Borussia-Park: Auf das 1:3 in der Liga gegen Leipzig reagierte das Rose-Team mit einem 1:0-Erfolg in Köln, nach dem Europapokal-Debakel gegen Wolfsberg folgte das 2:1 gegen Düsseldorf, Ja, selbst das bittere Pokal-Aus beim Titelaspiranten BVB steckte der Liga-Primus bravourös weg. Mit einer Vorführung, die an Leidenschaft und Hingabe kaum zu überbieten war, wehrte er das Angriffsfeuer der Werks-Elf aus Leverkusen ab und verteidigte nach der Pause satte 52 Minuten lang seinen 2:1-Vorsprung mit Mann und Maus. Natürlich war Glück im Spiel, aber „es war auch ein Sieg des Selbstbewusstseins und des leidenschaftlichen Verteidigens“, bemerkte Gladbachs Coach, „die Leverkusener Power in Schach zu halten, war wahrlich nicht einfach.“ Dazu passt auch die Aussage von Gladbachs Vizepräsident und Ex-Profi Rainer Bonhof, der jüngst in einem Interview die Widerstandsfähigkeit der Spieler lobte: „Sie identifizieren sich mit der neuen Spielidee des Trainers, holen das Maximum aus sich heraus und glauben bis zur letzten Minute an sich.“
Marco Rose griff in Leverkusen zu einer ungewöhnlichen Maßnahme und verzichtete auf seinen Star und wertvollsten Spieler, den Schweizer Denis Zakaria. Zumindest bis zur 69. Minute. Rose: „Ich musste ihm einfach mal eine Pause gönnen, denn es warten zwei wichtige Aufgaben auf Denis und die Mannschaft. Wir haben schließlich die Europa League nicht abgeschrieben und wollen gegen Rom unbedingt punkten. Gut, dass wir am Montag mal pausieren und ein bisschen auftanken konnten.“ Am Donnerstag kommt auf die Defensive der Borussia, die bei Bayer Leverkusen nach der Pause überragte, wohl die nächste knifflige Aufgabe zu. Auf Matze Ginter, Tony Jantschke, Nico Elvedi oder Jordan Beyer wartet hohe römische Fußballkunst und je nach Spielverlauf vermutlich auch Attacke pur. Die Roma ist die Nummer 1 am Tiber, Liga-Dritter und führen die Europa-League-Gruppe J mit fünf Punkten (Gladbach hat zwei) an. Das sagt alles.