Abstiegs-Nervenspiel: Verbeeks Wutrede gegen Streich
Freiburg (dpa) - Christian Streichs Gesichtsfarbe wirkte nach den schweren Vorwürfen von Gertjan Verbeek noch blasser als sonst. Es war für den Trainer des SC Freiburg eine neue Erfahrung, dass ein Kollege wegen seines Verhaltens die Teilnahme an der obligatorischen Pressekonferenz verweigerte.
„Unglaublich, so eine Unterstellung. Das ist völliger Wahnsinn, so was zu sagen. Unfassbar“, erklärte Streich nach dem dramatischen 3:2 (1:2)-Sieg im Abstiegskampf gegen den 1. FC Nürnberg. Die Verbal-Attacke Verbeeks tat ihm „richtig weh.“
Mit einer bislang einmaligen Wutrede gegen einen anderen Trainer hatte sich der Niederländer Luft verschafft. Streichs Benehmen während des Spiels hatte ihn in Rage versetzt. „Wenn man so von einem Kollegen behandelt und beschimpft wird: So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das ist unverschämt, brutal und respektlos“, echauffierte sich Verbeek und begründete seinen Pk-Verzicht in TV-Interviews: „Ich will mich nicht neben meinen Kollegen setzen. Das ist für mich kein Kollege.“
Auch am Tag danach hatte sich Verbeek noch immer nicht richtig beruhigt. „Wenn er seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat, ist das seine Verantwortlichkeit“, legte er im TV-Sender sky gegen Streich nach. Zugleich erklärte er, dass das Thema für ihn vorbei sei.
Die Fernseh-Bilder belegten, dass beide Trainer an der Seitenlinie über 90 Minuten hoch emotional agierten. Der Abstiegskampf, in dem Freiburg nach nun zehn Punkten in den vergangenen vier Partien mit großen Schritten Richtung Klassenverbleib marschiert, wird nicht nur von den Spielern hart geführt.
Nach dem nervenaufreibenden und packenden Spektakel vor 24 000 Zuschauern hatte der nicht unbedingt als Hitzkopf bekannte Verbeek in einer Weise auch Schiedsrichter Jochen Drees kritisiert, die den DFB auf den Plan rufen dürfte. Der „Club“-Coach bezeichnete Drees als Freiburgs „zwölften Mann“ und forderte dessen Abberufung als Bundesliga-Spielleiter. Streich äußerte bei aller Betroffenheit auch Verständnis: „Wenn du so unter Druck stehst, verlierst du irgendwann die Nerven. Das ist schade, wenn er das tut, aber ich kann darüber hinwegsehen.“
Der Freiburger Fußballlehrer ist selbst als Rumpelstilzchen berüchtigt. „Ich bin emotional am Spielfeldrand“, gab Streich zu. Verbeek ist bei weitem nicht der erste Kollege, mit dem der leidenschaftliche Trainer einen Disput hatte. Auch mit Verbeeks Vorvorgänger Dieter Hecking, mit Mainz-Coach Thomas Tuchel oder mit dem Frankfurter Armin Veh war Streich schon aneinandergeraten.
Für seine gestenreichen Aktionen und verbalen Einflussnahmen wurde Streich auch schon häufig vom Schiedsrichter-Assistenten ermahnt. Auch gegen Nürnberg diskutierte der SC-Trainer immer wieder mit dem Vierten Offiziellen. „Ich habe mich mit ihm darüber unterhalten, dass alles in Ordnung war“, sagte Streich.
Eine Rote Karte, wie von Verbeek unterstellt, habe er gegen einen „Club“-Spieler nie gefordert und auch „nicht einmal“ etwas in Richtung seines Kollegen gesagt. Stattdessen habe Verbeek ihm „den Vogel gezeigt“, er habe darauf „null reagiert“.
Nürnbergs Sportvorstand Martin Bader gab seinem Coach am Sonntag Rückendeckung. „Wer Gertjan Verbeek kennt, weiß, dass etwas passiert sein muss, denn er ist authentisch“, sagte er. „Wir sind keine schlechten Verlierer, wenn dieser Eindruck jetzt rüberkommt“, ergänzte Bader im „Doppelpass“ von Sport1. „Gertjan Verbeek konnte einfach nicht nachvollziehen, dass 90 Minuten immer in seine Richtung artikuliert wurde, und zwar bei jeder Entscheidung.“
Die packende Begegnung war mit einem Platzverweis für den Nürnberger Emanuel Pogatetz zu Ende gegangen, was Verbeek endgültig in Rage brachte. Der Innenverteidiger sah in der Nachspielzeit nach einem Allerweltsfoul Gelb-Rot. Schon zuvor war der Österreicher der auffälligste Spieler, denn mit seinem ersten Saisontreffer hatte Pogatetz das 1:0 erzielt (6.).
Nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich der spiel- und kampfstarken Freiburger durch Pavel Krmas (23.) war Pogatetz auch maßgeblich an der erneuten Gäste-Führung beteiligt. Krmas brachte ihn in der 45. Minute im Strafraum zu Fall, Josip Drmic verwandelte den Elfmeter zur 2:1-Halbzeitführung. Als Pogatetz in der 53. Minute seinerseits Felix Klaus im Sechzehnmeterraum foulte, vollstreckte Admir Mehmedi vom Punkt zum 2:2. Mit einem Traumtor gelang Klaus in der 65. Minute der verdiente 3:2-Endstand. Dann teilte Verbeek aus.