Bei Bayer liegen die Nerven blank
Leverkusen (dpa) - Aufregung um die Stinkefinger-Geste von Emir Spahic, Rambo-Attacke von Emre Can, Pfeifkonzert der Zuschauer und Gebrüll in der Kabine: Bei Bayer Leverkusen liegen die Nerven blank.
„Keiner kommt gut aus dieser Nummer raus“, sagte Bayer-Torwart Bernd Leno nach dem blamablen 1:1 gegen den Bundesliga-Tabellenletzten Eintracht Braunschweig. „Wenn es so weiter geht, verpassen wir unser Ziel.“
Dass der Werksclub immer noch auf dem vierten Rang und damit aussichtsreich im Rennen um einen Champions-League-Platz liegt, verwundert fast. Schließlich verlor Bayer sechs der elf Spiele der Rückrunde und gewann nur drei. „Ich muss es glauben und ich glaube es, dass wir es schaffen. Sonst muss ich zu Hause bleiben“, meinte Leverkusens Chefcoach Sami Hyypiä zum hehren Europacup-Ziel.
Der finnische Trainer-Newcomer wirkt angesichts der leidenschafts- und seelenlosen sowie zunehmend destruktiven Zusammenarbeit seiner Fußballprofis fast ohnmächtig. „Wir tun alles, um die Kurve zu kriegen, aber es dauert länger, als ich gedacht habe. Es muss weitergehen“, lautet seine fatalistische Durchhalteparole.
Trotz der fast die gesamte Rückrunde andauernden Krise und dem drohenden Verlust des Champions-League-Platzes will Bayer zumindest bis zum Saisonende am Trainer festhalten. „Wir haben gesagt, dass wir mit Sami Hyypiä die Saison zu Ende spielen, dabei bleibe ich auch“, erklärte Geschäftsführer Michael Schade am Sonntag in einem Interview des WDR. Die Verantwortung für die Misere sieht Schade vor allem bei den Werksprofis. „Wir müssen uns intensiv mit dem Kader beschäftigen und damit, ob jeder Spieler für sein Geld eine gute Leistung bringt“, sagte er nach der „unentschuldbaren“ Leistung.
Inzwischen ist auch im stoischen Hyypiä die Erkenntnis gereift, dass mit Ruhe bewahren und Harmonie die Krise nicht in den Griff zu kriegen ist. „Ich bin etwas lauter geworden. Es ist gut für meine Zukunft, dass ich lerne, auch ein anderes Gesicht zu zeigen“, sagte Hyypiä zu seinem Donnerwetter in der Kabine. „Wenn ich richtig böse bin, kann ich sehr laut werden.“
Gründe dafür hat er während der Partie gegen Braunschweig genug geliefert bekommen. Besonders in der ersten Halbzeit zeigten seine behäbigen und zumeist planlosen Spieler Grusel-Fußball. „Ich kann nicht glauben, dass wir erst das Gegentor brauchten, um auf unser Niveau zu spielen“, rätselte Hyypiä. Gemeint waren jedoch nur die sechs Minuten nach dem 1:0-Traumtor von Ken Reichel (47.), der volley aus spitzem Winkel den Ball ins Bayer-Tor hämmerte. Darin enthalten war das 1:1 per Handelfmeter durch Stefan Kießling (53.).
„Es reicht nicht, immer nur schade, schade, schade zu sagen“, meinte Can. Der 20-Jährige vom FC Bayern München geholte Mittelfeldspieler passte sich dem Mittelmaß an und fiel nur besonders durch sein rüdes Foul gegen Damir Vrancic auf, der mit blutender Wunde ausgewechselt werden musste. Für einen Aufreger sorgte auch Bayer-Innenverteidiger Spahic: Er zeigte unbemerkt von Schiedsrichter Guido Winkmann Eintracht-Torwart Daniel Davari den Stinkefinger. Der Keeper hatte sich bei dem Bosnier beschwert, weil dieser nach der Verletzung eines seiner Mitspieler den Ball nicht ins Aus schoss. Das schlechte Benehmen könnte ein Nachspiel beim DFB-Kontrollausschuss haben.
Viel lernen, wie man sich in kritischer Lage bewähren kann, konnte Bayer von den Braunschweigern, die sich beeindruckend gegen den direkten Abstieg stemmen. „Wir sind ein stückweit stolz, wie die Mannschaft die Situation annimmt“, lobte Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht, dessen Team nur zwei der letzten acht Liga-Partien verlor und noch vier Punkte vom 15. Platz entfernt ist. „Man hat gesehen, dass sie sich nicht kampflos ergibt, sondern bereit ist.“
Überhaupt nicht bereit ist Lieberknecht, seine Verbannung auf die Tribüne (62.) zu akzeptieren, nachdem er sich über ein Foul an Mirko Boland aufgeregt hatte. „Ich habe mich innerlich geärgert, mit der Bank, mit meinem Stuhl, sonst mit keinem, der auf dem Platz war.“ Er kündigte Widerstand an. „Wenn ich eine Strafe bekommen sollte, wäre das ein großer Witz.“ Bei einer Bestrafung wolle er entscheiden, wohin das Geld fließt - „aber nicht an den DFB“.