HSV im freien Fall - Oenning: „War erschreckend“
München (dpa) - Der Umbruch beim Hamburger SV sorgt für Angst und Schrecken. Das 0:5 bei Rekordmeister Bayern München hat den erneuerten Hanseaten brutal gezeigt: Für die Fußball-Bundesliga reicht das Gebotene hinten und vorne nicht.
Nach zwei Niederlagen und einem Remis finden sich „die toten Hosen von Hamburg“ („Bild am Sonntag“) gemeinsam mit dem punktgleichen 1. FC Köln am Tabellenende der Eliteliga wieder. „Wir haben die einfachsten Dinge nicht hinbekommen, das war erschreckend und darf nicht vorkommen“, klagte der konsternierte Trainer Michael Oenning, der nun schon seit zehn Spielen ohne Sieg ist und damit auf die schlechteste Startbilanz eines HSV-Trainers verweist.
Fußball-Idol Uwe Seeler war entsetzt und sorgt sich um die Zukunft seines Vereins. „Die Jungs haben sich kampflos ergeben. So kann man kein Spiel gewinnen. Da muss sich schnell was ändern“, forderte der 74-Jährige. Ändern ja, aber was?, wird sich Trainer Oenning fragen, der schon zu Saisonbeginn um Argumente ringt. In vier Pflichtspielen mit vier verschiedenen Formationen in unterschiedlichen Systemen agieren zu lassen, ist auch ein Verzweiflungsschrei. Denn, so Oenning, so richtig funktioniere beim HSV „noch gar nichts“.
Der ebenso sympathische wie intelligente Coach könnte sich die Haare raufen. Das Konzept von Verjüngung und finanzieller Gesundung ist nach wie vor richtig. Dass der Umbau mit den bundesligaunerfahrenen Grünschnäbeln wie Jeffrey Bruma (19 Jahre), Michael Mancienne (23) und Gökhan Töre (19), die zweifellos große Talente sind, zunächst in die Hose gehen würde, hatte Oenning in dieser Brutalität nicht für möglich gehalten. „Wenn wir so spielen, werden wir Schwierigkeiten bekommen“, lautet nunmehr sein Fazit.
Festzumachen ist das derzeitige Fiasko allerdings nicht ausschließlich am Verjüngungsprozess, dem teure Altstars wie Ruud van Nistelrooy und Zé Roberto zum Opfer gefallen sind. Die jetzigen Alten, sprich Erfahrenen, spielen derzeit ebenso konfus wie die Neuen. Ob die Nationalspieler David Jarolim, Dennis Aogo, Heiko Westermann oder Marcell Jansen - als Mannschaft funktioniert der HSV zurzeit nicht. Elementare Grundlagen wie Zweikampfverhalten, Raumaufteilung und Ordnung sind dem dienstältesten Bundesligisten komplett abhandengekommen. Um eine moderne Fußball-Philosophie zu prägen, wollte Oenning auf einem Fundament aufbauen, das offenbar gar nicht vorhanden ist.
Sportchef Frank Arnesen steht trotz des katastrophalen Starts unbeirrt zu Oenning: „Er kriegt die Zeit, die er braucht.“ Das ist vernünftig, denn das Heuern-und-Feuern-Zeitalter beim HSV, wie es einst unter Ex-Chef Bernd Hoffmann gepflegt wurde, ist schließlich zugunsten eines langfristigen Konzepts über Bord geworfen worden. Zudem ist Schmalhans beim HSV Küchenmeister, weil die vergangene Saison mit einem Minus von rund sechs Millionen Euro beendet wurde und das Defizit in dieser Saison wohl noch wächst. Folglich wären neue Trainer und neue Spieler ohnehin nicht finanzierbar. Das Wichtigste beim HSV derzeit: Ruhe, um Stabilität in die Mannschaft zu bekommen.