HSV steht zu Oenning-Rauswurf - Stevens-Interesse
Hamburg (dpa) - Nur einen Tag nach den Treueschwüren hat der abstiegsbedrohte Hamburger SV die Nerven verloren und seinen Chefcoach Michael Oenning vor die Tür gesetzt.
„In den letzten zwei Tagen nach der 0:1-Niederlage gegen Mönchengladbach und nach vielen intensiven Gesprächen sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass wir diese Entscheidung treffen mussten“, sagte Sportdirektor Frank Arnesen am Montagnachmittag zu dem vom Zeitpunkt her überraschenden Beschluss. Denn Arnesen selbst hatte am Sonntag gebetsmühlenartig wiederholt, Oenning werde am Donnerstag beim Flug zum Punktspiel beim VfB Stuttgart neben ihm im Flieger sitzen.
„Am Sonntag hatte ich noch ein gutes Gefühl. Aber Fußball ist so: Nach zwei Tagen musst du nicht mit dem Herzen denken, sondern mit dem Verstand“, verteidigte Arnesen auf einer Pressekonferenz das Vorgehen des in Bedrängnis geratenen Vereins. „Es geht nicht um Frank Arnesen, nicht um Michael Oenning, sondern nur um den HSV. Und ich weiß, dass wir in einer prekären Situation sind“, betonte der Däne.
Der Tabellenletzte sucht schon intensiv einen Nachfolger. Vorerst wird Rodolfo Cardoso, Coach des Regionalliga-Teams des HSV, als Interimstrainer die angeschlagenen Profis betreuen. „Rodolfo hat unsere volle Unterstützung“, sagte Arnesen. Da der Argentinier aber keine A-Lizenz besitzt, kann er nur vorübergehend in die Bresche springen. Als heiße Kandidaten gehandelt werden Huub Stevens, der im Jahr 2007 schon einmal als HSV-Retter eingesprungen war, sowie der frühere HSV-Torjäger Horst Hrubesch und der Schweizer Marcel Koller.
Stevens signalisierte Bereitschaft, erneut an die Elbe zu kommen. „Ich bin frei. Jeder kann mich anrufen. Ich hatte eine wunderbare Zeit in Hamburg und habe den HSV ein Stück weit in mein Herz geschlossen“, sagte er der „Hamburger Morgenpost“. „Ich fühle mich hervorragend und bin bereit für neue Aufgaben.“ Und er erfüllt ein wichtiges Merkmal. „Der neue Trainer muss Deutsch sprechen“, forderte Arnesen und beteuerte, bisher mit keinem Kandidaten gesprochen zu haben.
Während Uwe Seeler („Die Mechanismen im Bundesliga-Fußball sind automatisch, wenn man nicht absteigen will“) mit der Trennung gerechnet hatte, kam diese für Willi Schulz total verfrüht. „Ich bin überrascht, dass man den Trainer schon jetzt geopfert hat“, kritisierte der einstige Abwehrchef die Club-Verantwortlichen scharf. „Grundsätzlich ist es für unseren honorigen Verein kein gutes Aushängeschild, wenn immer die Trainer alles ausbaden müssen.“
Denn die Führungsriege setzte in neuer Zusammensetzung die Serie der vorzeitigen Trainerwechsel fort. Unter dem im März entlassenen Clubchef Bernd Hoffmann waren binnen acht Jahren neun Fußball-Lehrer verbraucht worden. Die neue Clubspitze um Carl-Edgar Jarchow war angetreten, um Kontinuität zu garantieren. Dass es anders kam, ist vor allem Oennings Misserfolgsserie geschuldet. In 14 Punktspielen als Chefcoach konnte er lediglich einen Sieg feiern und rangiert mit nur einem Punkt aus sechs Begegnungen dieser Saison am Tabellenende.
Wohl auch deshalb hat Oenning, der erst am 13. März die Nachfolge von Armin Veh angetreten hatte, Verständnis für sein vorzeitiges Dienstende. „Es ist für mich nachvollziehbar, dass der Verein in der jetzigen Situation einen anderen Weg geht“, betonte der 45-Jährige. Jarchow versicherte, die Entscheidung zur Trennung sei ihm nicht leicht gefallen, und stellte nach den Gesprächen fest: „Oenning hat mit menschlicher Größe und Professionalität reagiert.“