Keine Zeit für Gefühle: Schüler Skripnik besiegt Schaaf
Bremen (dpa) - Den Abstecher in die Vergangenheit bewältigte Thomas Schaaf nicht ganz so cool wie geplant: „Ja, es war etwas außergewöhnlich und ich habe einen warmen Empfang bekommen“, sagte der langjährige Bremer Chefcoach.
Mit einem kleinen Lächeln nach seiner Rückkehr mit Eintracht Frankfurt in sein „Wohnzimmer“ Weserstadion begleitete er sein Statement. Die 42 100 Besucher im ausverkauften Stadion jubelten dem sichtlich bewegten 54-Jährigen zu, er nahm Schüler und Kontrahent Viktor Skripnik herzlich in den Arm - mehr Grund zur Freude hatte Schaaf beim ernüchternden 0:1 (0:0) gegen Werder aber nicht.
Nach Spielschluss musste er sich erst einmal sammeln. Einige gute Ansätze, aber wenig Torgefahr - auf diesen Nenner ist das Leistungsvermögen der Hessen ohne den am Knie operierten Alex Meier zu bringen. Dann kam am späten Abend noch die Bestätigung der schlimmen Verletzung von Sonny Kittel hinzu: Der 22-Jährige fällt mindestens ein halbes Jahr mit einem Kreuzbandriss im linken Knie aus. „Wir sind zutiefst erschrocken“, sagte Schaaf. Der Mittelfeldspieler war zuvor wegen einer Blessur im rechten Knie ausgefallen.
Während sich Schaaf nach dem Abrutschen ins Niemandsland der Tabelle Fragen gefallen lassen muss, was er seit der Übernahme zu Saisonbeginn erreicht habe, ist der neun Jahre jüngere Skripnik dabei, die Bremer auf Europa-League-Kurs zu trimmen. Ebenso wie Schaaf ist der Ukrainer in den vergangenen Wochen wortkarger in der Öffentlichkeit geworden. Seine Mannschaft erreicht er bestens.
Den zuletzt heftig wegen seines Wechsels nach Leipzig kritisierten Torschützen Davie Selke (66. Minute) nahm er in Schutz: „Ich hoffe, das Thema Selke ist nun durch. Ich freue mich sehr für ihn, der Junge hat Talent“. Es sei schade, dass so ein Juwel Werder in Richtung Zweite Liga verlasse, aber möglicherweise „tut dieser Transfer uns später auch gut“. Vor allem die acht Millionen Euro Ablöse können bei der Suche nach Ersatz helfen. Wobei Sport-Geschäftsführer Thomas Eichin immer wieder betont, auch bei Erreichen der europäischen Bühne am bescheidenen Einkaufskurs festhalten zu wollen.
Und einer wie Selke ist nicht so leicht zu ersetzen. „Davie ist ein abgezockter Kerl, das Ganze juckt ihn gar nicht. Er hat einen Torriecher“, betonte Eichin. Fleißigster Bremer war einmal mehr der 34-jährige Clemens Fritz, der sich neben einem Sonderlob von Eichin einen neuen Vertrag erarbeitete: „Fritz und ich haben alles besprochen, nächste Woche werden wir es vermelden.“
Skripnik ist der Baumeister des Teams aus Jung und Alt und sieht zu, dass er auch die Auswechselkandidaten bei Laune behält. Es ist ihm anzumerken, dass er noch ein wenig wie ein Spieler denkt. Beim Thema Europa, das auf Platz sieben mit 42 Punkten immer realistischer wird, spricht aber ganz der Lehrer: „Wir sind realistisch. Das Ziel ist die Europa League nach wie vor nicht, aber wenn wir sie erreichen, wäre das die Krönung.“ Er wisse, woher man komme und welche Schwächen - wie die Abwehrprobleme - seine Jungs noch hätten.
Das größte Kompliment für den Bundesliga-Novizen Skripnik kam am Ende von seinem alten Lehrmeister Schaaf: „Es war nie die Frage, ob Viktor die Qualität hat. Es ist keine Überraschung, dass die Mannschaft so gut arbeitet, das passt.“