Schalke-Coach Stevens blieb sich immer treu
Gelsenkirchen (dpa) - Auch in seiner zweiten Amtszeit als Schalke-Coach blieb Huub Stevens immer Huub Stevens. Von der Die-Null-muss-stehen-Taktik hatte er sich auf Geheiß von Clemens Tönnies verabschiedet.
Und lange lief es richtig gut. Nun musste der 59-Jährige sein Revier räumen.
Stevens und Schalke - selten gab es eine ähnliche Symbiose zwischen Verein und Trainer. Als Fußballlehrer Ralf Rangnick vor mehr als einem Jahr mental und körperlich erschöpft aufgeben musste, erinnerten sich die Verantwortlichen Clemens Tönnies und Horst Heldt an den knorrigen Coach, den die Revierfans einst zum Schalker „Jahrhunderttrainer“ kürten. Stevens war ein Glücksfall für den Club im Kohlenpott, dessen Malocher-Image der in Sittard geborene Niederländer verkörperte wie kaum ein anderer.
Seine Markenzeichen waren Badeschlappen und Trainingsanzug. Wenn die Kollegen in feinstem Zwirn Europas edle Fußball-Bühne Champions League betraten, schlurfte der 59-Jährige in Adiletten oder Turnschuhen daher. Bei der Partie in Piräus wurde dieses Auftreten sogar in der Öffentlichkeit thematisiert.
„Ich dachte, ein Anzug sei in der Champions League Pflicht. Aber ich habe nachgefragt und erfahren, dass ich tragen darf, was ich will“, erläuterte Stevens. So war die Kleiderwahl klar: „Im Trainingsanzug fühle ich mich einfach am wohlsten. Und ich finde, jeder Trainer sollte so nah wie möglich bei sich bleiben.“
Doch es war nicht nur der Wohlfühlfaktor - Stevens dokumentierte mit seinem Erscheinungsbild auch die Nähe zum Team, das nun mal in kurzen Hosen auf dem Platz stand. Auf Äußerlichkeiten und Eitelkeiten legte der knorrige und zuweilen knurrige Holländer keinen Wert.
Die Spieler mit ihren Familien, die Fans, der Club gingen Stevens immer über alles. Seine Aussage nach dem 1:3 gegen den SC Freiburg am Samstag, als er wohl ahnte, dass seine Mission enden würde, dokumentiert seine Haltung zu hundert Prozent: „Meine Zukunft ist nicht wichtig. Es geht um Schalke. Ich habe hier angefangen, weil ich lange Zeit bei dem Verein gearbeitet hatte. Ich bin zurückgekehrt und habe auch jetzt immer noch Spaß an der Arbeit.“
Anders als in der ersten Amtszeit von 1996 bis 2002 trat Stevens insgesamt lockerer und souveräner auf. Sieht man einmal von der typischen Art ab, seiner Meinung nach überflüssige und nervige Journalistenfragen zu beantworten. Eine Kostprobe lieferte Stevens immer wieder: „Es werden elf Spieler auflaufen, einer davon trägt Handschuhe“, sagte er vor dem „Königsklassen“-Duell mit Montpellier zur viel diskutierten Torwartfrage. Nach dem 1:1 gegen Gladbach herrschte er einen Medienvertreter an, als dieser eine Erläuterung für den Wechsel - Hildebrand für Unnerstall - erbat. „Hast du nicht zugehört? Das hab' ich doch schon im Fernsehen erklärt.“
Stevens war eine Mischung aus Kumpeltyp, der jeden Geburtstag der Spielerfrauen und deren Kinder in seinem Laptop hatte, und Disziplinfanatiker. Dass er sich regelmäßig um seinen „Entdecker“ und Förderer, den an Alzheimer erkrankten Ex-Manager Rudi Assauer kümmert - daraus machte Stevens kein Aufhebens. Noch immer ärgert er sich maßlos über Niederlagen, weil er schlicht kein guter Verlierer ist.
Doch er hatte gelernt, Enttäuschungen nicht als persönliche Niederlagen zu empfinden. „Das hat sehr viel mit Erfahrung zu tun. Wenn man älter wird, relativiert man vieles“, sagte Stevens. „Früher war die Arbeit für mich emotional stressiger, heute habe ich mehr Abstand.“ Schlendrian oder unprofessionelles Verhalten duldete er aber nie: „Die Spieler wissen, dass sie ihre Leistung bringen müssen.“ Zuletzt ließ sein Team ihn im Stich.