Weltmeister Overath wird 70 - und will es nicht wissen
Köln (dpa) - Bloß kein Theater, bloß kein großer Bahnhof. Wolfgang Overath will es nicht so recht wahrhaben, dass er am Sonntag die „70“ vollendet.
Und man merkt es dem Weltmeister von 1974 auch nicht an: Drahtig wie eh und je, Falten im Gesicht, aber noch immer im Besitz seines einstigen Kampfgewichts von etwa 73 Kilogramm - und noch immer Fußballer voller Leidenschaft. „Fußball ist mein Leben. Ich habe nie ohne ihn gelebt und kann nicht ohne ihn leben“, sagte Overath einmal.
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat dem ehemaligen Nationalspieler Wolfgang Overath „von Herzen“ zum 70. gratuliert. „Wolfgang Overath ist nicht nur ein wunderbarer Mensch und persönlicher Freund, sondern ein Glücksfall für den deutschen Fußball“, schrieb Niersbach. „Ich gratuliere ihm von Herzen und finde es toll, dass er mit 70 immer noch Fußball spielt und dabei wie früher partout nicht verlieren will“, ergänzte der DFB-Präsident.
Der Fußball hat für den Leidenschaftlichen Overath aber auch Leiden geschaffen. Ganz verwunden hat er es nie, dass er im November 2011, nach sieben Jahren Amtszeit als Präsident seines 1. FC Köln quasi im Frust zurücktrat oder nach Fan-Anfeindungen möglicherweise sogar zurücktreten musste. Auf Kölsch und nach bitteren Tränen verabschiedete sich der gebürtige Siegburger seinerzeit mit den Worten: „Vielen, vielen Dank - und maht et jot“ (macht es gut). Der FC („Er wird immer mein Verein bleiben“) war und ist seine Herzensangelegenheit.
Es waren schwierige Zeiten beim FC, obwohl der 81-malige Nationalspieler im Frühjahr 2004 das Präsidentenamt unter größter Euphorie der Mitglieder übernahm. Der Club blieb eine Fahrstuhlmannschaft zwischen erster und zweiter Liga, trotz Lukas Podolski, trotz des Trainers Christoph Daum. Sportliche Kontinuität stellte sich nicht ein, obwohl das Umfeld mit den tollen Fans stimmte und die Zuschauer selbst in der 2. Liga in Massen in das Kölner Stadion strömten und strömen.
So wie Overath sich dem möglichen Geburtstagsrummel entzieht, war er eigentlich immer, ließ sich nie als TV-Experte, Medienkolumnist oder Werbemensch einspannen. Bodenständig, ein Familien-Mann, dem seine Frau Karin, die beiden leiblichen Söhne und die brasilianische Adoptivtochter wichtiger sind als anderes. „Ich stand immer auf der Sonnenseite des Leben, hatte immer Glück“, pflegt Overath zu sagen.
Für sein Sozialengagement, mit dem er sich Obdachlosen in Siegburg und Köln widmet, erhielt er 2008 das Bundesverdienstkreuz. Seine Popularität stellte er in den Dienst Anderer. 1994 gründete Overath, der 1966, 1970 und 1974 an drei Weltmeisterschaften teilnahm, hauptsächlich mit eigenen Finanzmitteln den nach ihm benannten Fonds, durch den Menschen in Notlagen Hilfe erhalten. Die Stadt Siegburg machte ihn 2003 zum Ehrenbürger.
Fünf Jahre nach dem Erreichen des Rentenalters kann es Overath kaum glauben, dass er schon 70 wird. Diese Zahl könne man nicht mehr verändern. Doch er ist - nicht nur äußerlich - ein Junger geblieben. Als Hobby-Fußballer ist er ehrgeizig wie zu seinen Glanzzeiten mit dem WM-Triumph von 1974 als Höhepunkt. Der klassische Spielmacher von einst ist und bleibt ein Fanatiker des Hobbys, das dem gebürtigen Siegburger so vieles gab: Fußball. Das war und ist sein Leben.