Hoeneß lebt seinen Final-Traum
München (dpa) - Tausende von Fußballspielen hat Uli Hoeneß miterlebt. Er hat gejubelt und gelitten, gekämpft und gezürnt, erst als rasend schneller Weltmeister auf dem Platz, dann 30 Jahre als erfolgreicher Manager des FC Bayern auf der Bank, schließlich seit Ende 2009 als Präsident auf der Tribüne.
Und doch wird das Champions-League-Finale in München gegen den FC Chelsea für Hoeneß alles toppen, was der Metzgerssohn aus Ulm in über 40 ereignisreichen Jahren im Profigeschäft mitgemacht hat. „Es ist das Highlight in der Geschichte des FC Bayern“, sagte der 60-Jährige.
Der 19. Mai 2012 wird das i-Tüpfelchen auf sein Lebenswerk beim Rekordmeister sein - sofern seine Bayern gewinnen. Seit der Vergabe des Endspiels nach München war das Dabeisein dahoam die Triebfeder für den gesamten Verein; und ganz speziell für den bedeutendsten Macher in der ruhmreichen Geschichte des FC Bayern München.
Unvergessen ist die Beschwörungsrede von Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung Ende 2010, als die Bayern unter dem damaligen Trainer Louis van Gaal um die Qualifikation für diese Königsklassen-Saison bangten, die jetzt vor dem triumphalen Abschluss steht. „Bayern München muss immer Bayern München bleiben und bis zum letzten Blutstropfen kämpfen“, rief Hoeneß unter dem tosendem Beifall der Vereinsmitglieder in den Saal. Er appellierte eindringlich an den Trainer und die Profis wie den anwesenden Bastian Schweinsteiger: „Vergesst nicht, im Jahre 2012 findet das Champions-League-Finale in München statt, in der Allianz Arena - und da müssen wir dabei sein!“
Im Januar, bei der großen Feier des Vereins anlässlich seines 60. Geburtstages, benannte Hoeneß das Endspiel als größten Wunsch und schönstes Geschenk. „Das war ein schöner Abend und da habe ich schon im Kopf gehabt, das wäre für den FC Bayern und Herrn Hoeneß ein Traum, wenn wir das Finale schaffen könnten“, sagte Arjen Robben am Donnerstag. „Wenn wir jetzt gewinnen, weiß ich nicht, was los sein wird.“
Als nach dem dramatischen Elfmeterschießen in Madrid gegen Real der Finaltraum tatsächlich wahr geworden war, beschrieb Torjäger Mario Gomez: „Ich glaube, unser Präsident ist heute der glücklichste Mensch der Welt.“ Jetzt, kurz vor dem großen Tag, reicht das olympische Motto („Dabeisein ist alles“) allerdings nicht mehr. Nicht den Spielern, nicht den Fans und auch nicht dem Oberhaupt des Vereins. „Natürlich kannst du es vermasseln“, sagte Hoeneß im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe).
Der Gegner ist nicht der vermeintlich übermächtige FC Barcelona, sondern dessen überraschender Halbfinal-Bezwinger FC Chelsea. Und nach den zwei Niederlagen gegen Borussia Dortmund im Kampf um die Meisterschaft und im DFB-Pokal verträgt die Saisonbilanz der erfolgsverwöhnten Mia-san-mia-Bayern nicht noch eine dritte Titelpleite. Besonders nicht im eigenen Stadion. Hoeneß musste immerhin schon 1997 erdulden, dass ausgerechnet Borussia Dortmund im Münchner Olympiastadion, der damaligen Bayern-Heimstätte, als erster deutscher Verein die Champions League gewinnen konnte.
Gelassen wird Hoeneß diesen 19. Mai also nicht erleben, eher hochgradig nervös. Eine Gänsehaut wird er haben, wenn die Spieler einlaufen. Stolz wird sein Blick durch die Allianz Arena schweifen. Er darf ja auch stolz sein auf das in den vergangenen Jahrzehnten Erreichte und Geleistete. Kein Club hat es zuvor geschafft, das größte Finale im europäischen Fußball im eigenen Stadion zu spielen. „Ich glaube, alle in der Mannschaft und auch ich möchten alles für ihn machen, für die Fans, für den Club“, versicherte Franck Ribéry, der Hoeneß viel verdankt.
Der Franzose ist einer der Stars der Truppe, die der Bundesliga-Krösus mit selbst verdientem Geld zusammengestellt hat - und nicht dank der Schecks eines Milliardärs wie Chelsea-Eigner Roman Abramowitsch. Dem Russen zum Champions-League-Triumph gratulieren zu müssen, noch dazu im eigenen Wohnzimmer - ein schrecklicher Gedanke für Uli Hoeneß. Der 19. Mai 2012 soll doch sein allerschönster FC-Bayern-Tag werden.