Trainerwechsel Kovac-Verpflichtung nur erster Schritt für Krisen-BVB
Dortmund · Himmelfahrtskommando oder Chance für Club und Trainer? Der Job, den Niko Kovac von Sonntag an beim taumelnden BVB antritt, ist knifflig. Auch wegen der Strukturen.
Der Trainer ist gefunden, die Baustellen im Kader und im Verein bleiben aber bestehen. Die Herausforderungen für Niko Kovac bei seinem neuen Arbeitgeber Borussia Dortmund in der aktuellen Situation sind immens. Der 53 Jahre alte Nachfolger des in der Vorwoche beurlaubten Nuri Sahin übernimmt von Sonntag an einen BVB mit vielen Baustellen. An der auch laut Sportchef Lars Ricken „sportlich herausfordernden Situation“ änderte der erste Sieg im neuen Jahr nichts.
Wenige Stunden nach der endgültigen Einigung mit Kovac gewann der taumelnde Revierriese 3:1 (2:0) zum Vorrunden-Ende in der Champions League gegen Schachtar Donezk. Balsam für die Seele und gut für das arg strapazierte Selbstvertrauen der Mannschaft, mehr nicht. „Das tut sehr, sehr gut. Wir brauchen Erfolgserlebnisse“, sagte Torhüter Gregor Kobel.
Wegen des katastrophalen schlechten Spiels in der Vorwoche beim 1:2 gegen den FC Bologna, das Sahin nach vier Niederlagen am Stück letztlich den Job kostete, muss Kovac mit dem BVB im Februar trotzdem in die Achtelfinal-Qualifikationsrunde gegen Sporting Lissabon oder den FC Brügge. Ein Punkt fehlte den Dortmundern am Ende zum direkten Einzug ins Achtelfinale.
„Geisteskrankes Gefühl“ für Tullberg - Situation bleibt angespannt
So gesehen wirkt die geäußerte Gefühlswelt von Interimscoach Mike Tullberg („Ein geisteskrankes Gefühl. Emotionen pur.“) nach zuvor fünf sieglosen Dortmunder Pflichtspielen am Stück fast schon kurios. Zumal der Druck in der Liga gewaltig bleibt. „Wir haben am Samstag in der Bundesliga ein extrem wichtiges Spiel“, mahnte Ricken denn auch. Beim 1. FC Heidenheim wird A-Jugend-Coach Tullberg die Profis noch einmal betreuen, ehe Kovac den ins Bundesliga-Mittelfeld abgestürzten BVB übernimmt.
Die Erwartungen an den einstigen Coach des FC Bayern, von Eintracht Frankfurt und dem VfL Wolfsburg sind groß. „Wir sind alle, sehr, sehr optimistisch. Wir haben große Hoffnungen, dass wir in den nächsten Wochen so viele Punkte sammeln, dass wir uns Schritt für Schritt wieder oben rankommen“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl, der mit seinen Ausführungen aufhorchen ließ. Vehement verteidigte der 44-Jährige den arg kritisierten Kader, für dessen Zusammenstellung natürlich er verantwortlich ist.
Kehl verteidigt Kader - Kovac soll Spieler „besser machen“
„Ich glaube, dass der Kader deutlich stärker ist, als das was wir abgeliefert haben und das, was auch tabellarisch zu sehen ist“, sagte Kehl angesichts des für die BVB-Ansprüche katastrophalen Tabellenplatz elf. „Es gilt darum, die Spieler, die da sind, besser zu machen“, forderte Kehl von Kovac.
Auch Kehl steht erheblich unter Druck. Am Montag endet das Transferfenster und von der Rückholaktion von Leihspieler Salih Özcan vom VfL Wolfsburg als Ersatz für den verletzten Felix Nmecha abgesehen, ist es bislang nicht gelungen, einen Winter-Zugang zu holen. Dabei gilt der Kader als schwierig zusammengestellt und knapp bemessen. In Donyell Malen hat zudem ein wichtiger Offensivspieler den Club verlassen.
Auch zum viel kritisierten Kader gab es Gespräche mit Kovac, der diese Problematik sozusagen erbt. „Wir haben uns natürlich auch dazu unterhalten“, sagte Kehl, der aber keinen Aktionismus möchte: „Wir werden die nächsten Tage nutzen, um vielleicht noch was zu tun. Es kann aber auch sein, dass wir gar nichts mehr tun. Wir müssen komplett davon überzeugt sein.“
Kovac erbt Nebenschauplätze
Nach aktuellem Stand ist es gut möglich, dass nach dem Ende der Transferfrist Bilanz gezogen wird und mindestens Kaderplaner Sven Mislintat gehen muss. Kehl und Mislintat sollen sich in gegenseitiger Abneigung verbunden sein. Diese anscheinend unüberbrückbaren Differenzen sollen auch ein Grund für den Transferstau sein. Auch im Hinblick auf Berater Matthias Sammer steht noch eine möglicherweise unbequeme Entscheidung aus. Das umstrittene gleichzeitige Engagement von Sammer als Amazon-Prime-Experte bei BVB-Champions-League-Spielen stößt intern auf großes Unbehagen.
All diese „Nebenschauplätze“, deren Ende schon Sahin unmittelbar vor seiner Beurlaubung gefordert hatte, bekommt vorerst nun auch Kovac bei seinem Amtsantritt zu spüren.
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7. Absatz: Salih Özcan rpt Salih Özcan (Nicht: Öczan)