Verbannung für Dynamo - Präsident Ritter: Affront
Dresden (dpa) - Das historische Urteil des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zum Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem DFB-Pokal hat kontroverse Diskussionen ausgelöst. Der harte, aber nach Faktenlage wohl überlegte Richterspruch stürzte die Dresdner in ein Jammertal.
28 Verurteilungen vor dem DFB-Sportgericht seit 2002, drei Teilausschlüsse der Fans in den Jahren 2005, 2009, 2010 sowie allein 16 Abmahnungen gegen den Club hatten das Fass zum Überlaufen gebracht.
So sehen es auch führende Vertreter aus der Beletage des deutschen Fußball. „Ist es nicht immer so, dass es auch Falsche trifft? Man muss sagen, dass die Verantwortlichen es nicht voll im Griff hatten, aber dafür verantwortlich sind. Musste man nun ein Zeichen setzen? Ich glaube, dass es nötig ist“, sagte Werder Bremens Clubchef Klaus Allofs. Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zeigte bei „Welt online“ ebenfalls Verständnis für den Ausschluss: „Vielleicht ist das ein Zeichen des DFB. Die Fans müssen mal über den Tellerrand hinaus blicken. Der DFB wird sich diese Entscheidung gut überlegt haben.“
Zumindest in Sachsen löste das Urteil eine Diskussion auf allen Ebenen aus: Ob Verein, Fans oder einige Politiker im Freistaat - fast überall herrschte Unverständnis. Dynamo-Legende Hans-Jürgen Dörner bezeichnete das Urteil als „sehr hart. Ich denke, dass eine Geldstrafe auch angemessen gewesen wäre, und ich hoffe, dass die Leute, die die Ausschreitungen verursacht und mitgemacht haben, nun sehen, welchen Schaden sie anrichten.“
Dynamo gilt als Wiederholungstäter: Die Täterakte beim DFB ist wegen des schlechten Benehmens seiner Anhänger prall gefüllt. Der Vorwurf an den DFB, man wolle an Dynamo ein Exempel statuieren, wurde immer wieder in den Ring geworfen. Doch der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz hatte sich die Konsequenzen nach fünfstündiger Verhandlung intensiv überlegt. Immerhin standen zwei „Geisterspiele“ im Liga-Alltag alternativ zur Debatte.
Finanziell hätte ein solches Urteil Dynamo weitaus härter getroffen als die nun erfolgte Verbannung aus dem DFB-Pokal in der Saison 2012/2013, wo es in diesem Jahr in Runde eins lediglich rund 95 000 Euro Antrittsgeld gab. Ein Weiterkommen kann ohnehin nicht eingeplant werden. Dresden erreichte seit 1996 nur zweimal die zweite Runde im DFB-Pokal. Die geschätzten Zuschauereinnahmen von Dynamo bei einem ausverkauften Heimspiel liegen bei rund 300 000 Euro.
Diese Saison war sicher eine Ausnahme, als man in Runde eins 4:3 gegen Bayer Leverkusen gewann und dann auf den deutschen Meister Borussia Dortmund traf. Allein dieses Fernsehspiel beim BVB spülte 1,5 Millionen Euro in die klamme Vereinskasse, kann aber nicht als Maßstab dienen.
Diese Fakten werden auch die Verantwortlichen in Dresden bei ihrem weiteren Vorgehen nicht außer Acht lassen, auch wenn die ersten Reaktionen sehr betroffen klangen. Dynamo-Präsident Andreas Ritter klagte: „Ich bin zutiefst enttäuscht. Wenn man das Urteil der beiden Vereine ansieht, dann ist es in höchstem Maße befremdlich, dass bei uns an der Höchststrafe festgehalten wird und die Strafe für Dortmund abgemildert wird. Es ist fast schon ein Affront gegenüber Dynamo Dresden.“
Dresdens Sport-Bürgermeister Winfried Lehmann meinte am Freitag: „Die Vorfälle in Dortmund sind zwar in keiner Weise zu entschuldigen, dennoch ist es eine harte, unverhältnismäßige Entscheidung. Man hätte alles in den Kontext zu den anderen Szenarien anderer Vereine setzen müssen.“
Borussia Dortmund kündigte derweil an, die Geldstrafe in Höhe von 8000 Euro nicht zu akzeptieren. „Wir sehen uns zu Unrecht bestraft“, sagte ein BVB-Sprecher am Freitag der Nachrichtenagentur dpa und bestätigte die Aussagen von Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bei „Kicker Online“. Watzke hatte dort am Freitag erklärt: „Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen und nichts falsch gemacht. Borussia Dortmund ist kein Versäumnis nachzuweisen.“
Das DFB-Sportgericht hatte die Strafe wegen mangelnder Einlasskontrollen verhängt. Doch Watzke widersprach: Alle Maßnahmen seien in Abstimmung mit der Polizei erfolgt. „Mit den vom Rechtsstaat erlaubten Möglichkeiten kann man das Hereinschmuggeln von Pyrotechnik nicht unterbinden“, sagte der BVB-Geschäftsführer.
Auch bei den Fans löste das Urteil Unverständnis aus. „Ich war selbst beim Pokalspiel in Dortmund, und man muss wirklich sagen, dass dort die Kontrollen schlecht waren. Die haben uns einmal kurz angetastet, das war's. Mit zwei Geisterspielen hätte ich leben können, aber so ist es extrem hart und bitter für den Verein“, sagte Andreas Hübner vom Fanclub „Dynamo Crew Mittweida“.
Dresdens Hauptsponsor will nach dem Urteil des DFB-Sportgerichts in den nächsten Wochen das Gespräch mit dem Verein suchen. Nur wenige Tage nach dem angekündigten Ausstieg als Hauptsponsor beim Fußball-Zweitligisten FC Hansa Rostock wegen Krawallen will sich das Umweltservice-Unternehmen (Veolia) erst einmal eine eigene Meinung über die Vorkommnisse bilden und dann das Engagement in Dresden überprüfen. Ein Ausstieg als Sponsor wird derzeit noch nicht erwogen.
Beim Spiel beim FC St. Pauli verzichteten die Dresdner freiwillig auf ihre Fans und setzten damit ein erstes Zeichen aus den eigenen Reihen. „Natürlich ist es bitter, dass dies nicht berücksichtigt wurde. Ich kann aber nur an alle Fans appellieren, nun die Ruhe zu bewahren, auch wenn man aufschäumende Emotionen nachvollziehen kann“, sagte der Sportliche Leiter Steffen Menze. St. Pauli-Sportchef Helmut Schulte, der 1991/92 selbst Trainer in Dresden war, nerven die ständigen Ausschreitungen: „Es ist wahnsinnig traurig, dass dieser wunderbare Sport von Leuten genutzt wird, um Frustrationen auszuleben.“