Heimat-TV und nächtliche Glocken: So wohnen die Teams

Warschau (dpa) - Nach dem Prestigesieg gegen die Niederländer bekamen auch Bastian Schweinsteiger & Co. die unerfreulichen Seiten der EM-Reiserei zu spüren.

Eine halbe Stunde stand der Flieger mit der deutschen Nationalmannschaft an Bord in der Nacht zu Donnerstag in Charkow auf dem Rollfeld, ehe es zurück nach Danzig ging. Erst um 4.00 Uhr morgens kam der DFB-Tross wieder in seinem EM-Quartier an.

Nicht nur deshalb wolle man nun im letzten Spiel gegen Dänemark unbedingt den Gruppensieg, um im Viertelfinale ein Heimspiel in Danzig zu bestreiten. „Das wäre sehr wichtig. Wir hätten den Vorteil, keine Reisestrapazen zu haben“, betonte Schweinsteiger am Donnerstag.

Von den sportlichen Ergebnissen her hatte die frühe Entscheidung, das abgeschiedene und ruhige Fünf-Sterne-Hotel Dwór Oliwski vor den Toren Danzigs zu beziehen und dafür zu den Gruppenspielen ins ukrainische Lwiw oder Charkow fliegen zu müssen, für das DFB-Team bislang keine negativen Folgen. Nach den Siegen gegen Portugal (1:0) und die Niederlande (2:1) ist das Viertelfinale ganz nah.

Dagegen müssen sich die Holländer nach zwei Niederlagen und dem drohenden EM-K.o. erste kritische Stimmen aus der Heimat gefallen lassen. Einige Kommentatoren wiesen auf die viele Fliegerei und die Temperaturunterschiede zwischen dem verregneten Krakau und dem heißen Spielort Charkow hin. Oranje-Coach Bert van Marwijk hatte das aber schon vor der Pleite gegen die DFB-Elf zurückgewiesen: „Die Deutschen wohnen auch in Danzig, da ist es sogar noch ein paar Grad kühler.“

Bei der Suche nach den Quartieren für die Europameisterschaft sind die Reisemarschalls der 16 Teilnehmerländer nach ganz unterschiedlichen Kriterien vorgegangen. Die einen wollten mitten rein ins Geschehen und den städtischen Trubel wie die Engländer, Russen und Co-Gastgeber Polen, die anderen wollten raus aufs Land. „Wir haben ein Hotel gefunden, wo wir eine entspannte, familiäre Atmosphäre aufbauen können, wo wir exklusiv für uns sind, auch für einen längeren Zeitraum“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff.

Gruppengegner Portugal ist in dem kleinen Ort Opalenica in der Nähe von Posen in einem edlen Sport-Hotel untergekommen. Schön ländlich, aber mit einigen Vorteilen: Es ist sehr abgelegen direkt am Waldrand und trotzdem nur 35 Kilometer vom Flughafen entfernt. Es ist so klein, dass die Portugiesen unter sich sind, und es bietet fast ein Dutzend top gepflegter Trainingsplätze direkt am Haus.

Das Problem ist nur, dass das in Portugal keinen interessiert. Dort wurde bislang nur wahrgenommen: Die Mannschaft hat das teuerste Quartier von allen. Die Regierung sah sich prompt zur Mitteilung veranlasst, von dem Staat, der in der Wirtschaftskrise Gehälter und Sozialleistungen kürzt, gebe es nur einen kleinen Zuschuss.

Der letzte deutsche Vorrundengegner Dänemark wohnt in Kolberg in einem erst 2009 eröffneten Luxushotel direkt am Ostseestrand. Jedes Zimmer hat Meerblick. Nachteil: Die Herberge ist extrem weit vom nächsten Flughafen entfernt, was die Anreise zu den Spielen in der Ukraine sehr kompliziert macht. Trost: Es gibt dänische Radiosender.

Europameister Spanien hat das 1700-Einwohner-Dorf Gniewino 70 Kilometer von Danzig entfernt zu seiner EM-Oase gemacht. „Das ist das beste Trainingsquartier, das ich bislang bei einem solchen Turnier erlebt hatte. Alles ist perfekt: Die Plätze, die Unterkunft, das Freizeitangebot im Hotel“, sagte Juan Mata vom FC Chelsea.

Sämtliche EM-Teams hatten sehr klare Vorstellungen davon, wie die Herbergen ihren Bedürfnissen anzupassen sind. Das englische Spielerhotel mitten in der als feierwütigen bekannten Universitätsstadt Krakau wurde in eine Art Freizeitpark mit Wellnessbereich umfunktioniert. Im massiven Hotelgewölbe gibt es einen Kellerpool, zudem Tischtennisplatten, Snookertische und Dartscheiben. Nur das nächtliche Glockengeläut der nahe gelegenen Kirche Kosciol Mariacki stört Wayne Rooney & Co. ein bisschen.

Auch die Ansprüche Kroatiens an das Luxushotel im kleinen Städtchen Warka rund 60 Kilometer außerhalb Warschaus waren präzise. „Wir hatten spezielle Anforderungen. Jedes Zimmer musste Fernsehen mit kroatischen Sendern haben. Sie mussten ein neues Spielfeld fürs Training hinstellen, dazu Swimmingpool und einen Minikraftraum. Sie haben das alles gemacht, also entschieden wir uns für Warka“, sagte Zorislav Srebric, der beim Verband für die Nationalelf zuständig ist.

Und die Gastgeber? Die Ukraine hatte keine andere Wahl, als sich in Kiew volksnah zu geben. Auch die Polen suchen die Nähe zu den Fans und haben sich in einem Hotel in Warschau niedergelassen. „Die Idee eines Quartiers weit draußen in den Wäldern war vor ein paar Jahren in Mode. Jetzt ist wichtig, die Atmosphäre des Großereignisses zu spüren“, sagte Trainer Franciszek Smuda.