Koller überzeugt seine Kritiker
Mallemort (dpa) - Der Aufschrei war riesig, als Marcel Koller im Herbst 2011 zum neuen Nationaltrainer Österreichs berufen wurde. Ein Schweizer sollte die am Boden liegende Austria-Auswahl wieder aufrichten?
Unmöglich, raunten Fans und Experten.
„Ich hätte mir eine andere Lösung gewünscht“, sagte Österreichs Fußball-Legende Herbert "Scheckerl" Prohaska. Toni Polster bezeichnete die Berufung Kollers als Nachfolger von Didi Constantini als „unglückliche Entscheidung“ und der stets grantelnde Hans Krankl fragte verstimmt: „Bei allem Respekt, was macht ihn qualifizierter als die österreichischen Trainer?“
Rund viereinhalb Jahre später sind die Kritiker längst verstummt. Als er am Mittwoch den Sonderflug 2651 vom Flughafen Wien-Schwechat in Richtung Avignon bestieg, hatte Koller bereits einen neuen Vertrag im Gepäck. Mitte März hatte der Verband den Kontrakt mit Koller bis zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland verlängert. „In den viereinhalb Jahren unter Koller ist viel aufgebaut worden“, sagte Verbandspräsident Leo Windtner bei der Bekanntgabe der weiteren Zusammenarbeit.
Doch was zeichnet diesen Marcel Koller, der zuvor beim 1. FC Köln und VfL Bochum in der Bundesliga gearbeitet hatte, aus? Vor allem die Akribie, mit der Koller seiner Arbeit nachgeht, wird von allen Beteiligten immer wieder gelobt. Schon weit vor der EM in Frankreich, bei der Koller mit Österreich auf Ungarn, Portugal und Island trifft, hatte der 55-Jährige alle übrigen 23 Turnier-Teilnehmer per Video studiert. Koller entgeht nichts, heißt es aus seinem Umfeld.
Zudem gilt der nur 1,73 Meter große Schweizer als sehr kommunikativ. Mit seiner offenen Art schaffte es Koller sehr schnell, die ihm entgegengebrachte Skepsis innerhalb des Verbandes zu überwinden. „Diese ständige Diskussion miteinander ist ein Mosaikstein, der den österreichischen Fußball weitergebracht hat“, sagte Sportdirektor Willibald Ruttensteiner dem Fußball-Magazin „Ballesterer“.
Zwar verfehlte Koller mit seinem Team das Ticket zur WM 2014 in Brasilien knapp, doch der Aufschwung war schon damals zu spüren. In der Qualifikation für die EM in Frankreich blieben die Österreicher dann sogar ungeschlagen und gaben lediglich gegen Schweden einen Punkt ab. Erstmals schaffte es die Austria-Auswahl sportlich zu einer EM. 2008 war man als Co-Gastgeber automatisch qualifiziert, flog aber bereits in der Vorrunde raus.
In Frankreich soll nun zumindest der Sprung ins Achtelfinale gelingen. Die Euphorie in der Alpenrepublik ist groß, die meisten Spieler in Kollers Kader sind in Deutschland oder England aktiv und verfügen damit über die nötige Erfahrung. Die Profis folgen Koller blind, weil sie wissen, dass der Teamchef sie nicht im Stich lässt. „Das ist ein gutes Gefühl“, sagte Angreifer Marc Janko. Der Stürmer war lange verletzt, dennoch hielt Koller an ihm fest.
„Der Zusammenhalt ist ein wichtiger Faktor in unserer Mannschaft“, begründete Koller, warum er in der Vergangenheit wenig experimentiert hat. Das gilt auch für die Taktik: Die Österreicher spielen fast immer im 4-2-3-1-System.
Seine Kritiker hat Koller mit seiner Art längst überzeugt. „Koller hat einen Klassejob gemacht“, lobte Polster. Und Prohaska räumte in der „Kleinen Zeitung“ reumütig ein: „Heute muss ich sagen: Keiner von uns hat Recht gehabt. Der ÖFB hat die richtige Entscheidung getroffen, Marcel Koller liefert eine super Arbeit ab.“