Pleite gegen DFB-Elf trifft Robben und Co. ins Herz

Charkow (dpa) - Es war ein Bild des Jammers. Geschlagen und mit einem Blutrinnsal am Hinterkopf nahm Arjen Robben bei seiner Auswechslung sieben Minuten vor Schluss den kürzesten Weg und schlich auf der Seite gegenüber der Trainerbänke vom Rasen.

Wütend und enttäuscht zog er sein verschwitztes Oranje-Trikot über den Kopf und umrundete gemächlich den halben Platz. Statt sich auf die Ersatzbank zu setzen, entschied sich der 28 Jahre alte Offensiv-Star der Bayern für den Platz an der Seite seines Kapitäns Mark van Bommel.

Der kauerte längst wie ein Häufchen Elend neben der Trainerbank, wo sein Schwiegervater verzweifelt versuchte, mit personellen Korrekturen das Schlimmste zu verhindern. Doch die DFB-Elf ließ sich den 2:1-Triumph gegen den Erzrivalen in der Hitzeschlacht von Charkow nicht mehr nehmen. Recht sicher brachte die Löw-Elf nach dem Doppelschlag von Mario Gomez (24./38.) auch die restlichen Minuten nach dem Anschlusstor von Robin van Persie (73.) über die Zeit. „Es hätte nicht mein Abend sein müssen, sondern der der Mannschaft. Aber nun stehen wir alle mit leeren Händen da“, jammerte Robben nach dem x-ten Frusterlebnis in seiner Seuchensaison.

Zweiter in der Champions League mit den Bayern-Kollegen, die jetzt auf der anderen Seite jubelten, Verlierer im DFB-Pokal, Vize in der Meisterschaft - und nun noch das: Null Punkte mit Oranje nach zwei EM-Spielen, das erstmalige Vorrunden-Aus bei europäischen Titelkämpfen seit 1980 dicht vor Augen. Ein Desaster. „Wir haben bis zum Ende alles gegeben. Manchmal sieht es so aus, als würde die Organisation auf dem Feld nicht stimmen“, räumte Robben ein.

Auch der in der Heimat stark unter Beschuss geratene Bert van Marwijk redete nicht lange herum. „Heute waren wir einfach nicht stark genug, wir haben nicht genug gezeigt. Dabei haben wir gut angefangen, aber dann hat Deutschland ein Tor aus dem Nichts gemacht“, befand der Bondscoach deprimiert.

Dass sein Team überhaupt noch eine kleine Chance auf den Viertelfinal-Einzug hat, ist nur dem 3:2 der Portugiesen gegen die Dänen zu verdanken. So kommt es am Sonntag zum ultimativen Showdown in der Gruppe B mit der Partie von Spitzenreiter Deutschland (6 Punkte) gegen Dänemark (3) sowie Hollands Duell mit Portugal (3). Alle vier Teams können noch ausscheiden, alle können noch in die K.o.-Runde einziehen. Doch der Tabellenletzte hat die schlechteste Ausgangslage. „Wir sind von den anderen abhängig und das fühlt sich nie gut an“, meinte Robben mit Blick auf das Spiel gegen den Angstgegner, den man in zehn Spielen erst einmal (1991) bezwang.

Van Marwijk sieht sein in Wahrheit schlecht ausbalanciertes Team noch immer als „Einheit“. Doch was Spieler und Trainer nur noch eint, ist die schwache Hoffnung auf ein Happy End: „Wir sind noch nicht raus. Ich bin sicher, dass die Jungs genauso denken. Wir müssen Portugal mit zwei Toren Unterschied schlagen und die Chance wahrnehmen, wenn Deutschland gegen Dänemark gewinnt“, sagte van Marwijk.

Doch in der Heimat wird sein einst als EM-Favorit gehandeltes Team schon zu Grabe getragen. „In der Bratpfanne von Charkow fiel Oranje auseinander wie ein zu lang geschmorter Braten“, urteilte „De Volkskrant“. „Da ging eine Elf an Stress, an Unfähigkeit im Angriff zugrunde. An was eigentlich nicht?“ Und „De Telegraaf“ erklärte, woran es lag: „Zur Bestürzung vieler begann der Bondscoach mit fast derselben Elf, die schon gegen Dänemark verloren hatte. Die Aufstellung, die das niederländische Volk so gern gesehen hätte, fand kein Gehör. Ganz Holland schrie nach Klaas-Jan Huntelaar, aber die Spitze von Schalke erschien erst zu Beginn der zweiten Spielzeit.“

Die Gemütslage im Team ist niederschmetternd: „Ich fühle mich beschissen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass wir zweimal verlieren“, betonte Rafael van der Vaart, der diesmal wenigstens die zweiten 45 Minuten ran durfte. Die Hoffnung, mal 90 Minuten gemeinsam mit Wesley Sneijder im Mittelfeld die Fäden zu ziehen, hat er praktisch aufgegeben. „Ich habe schon so oft geglaubt, dass ich von Anfang an spiele. Aber das war nie der Fall.“