UEFA blendet Fußball-Realität aus: TV-Sender protestieren
Bordeaux (dpa) - Mit der heilen Fußball-Welt der UEFA sind ARD und ZDF nicht zufrieden. Die deutschen TV-Sender haben sich wegen der Zensur der Bilder von der Europameisterschaft beim Verband beschwert.
„Wir haben gemeinsam mit der ARD Kontakt mit der UEFA aufgenommen und unsere Erwartungshaltung klar dargestellt“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz der Deutschen Presse-Agentur in Paris. ARD-Teamchef Jörg Schönenborn berichtete: „Wir haben die UEFA aufgefordert, uns solche Bilder kurzfristig zur Verfügung zu stellen.“
Die deutschen Sender erhalten ihre Live-Bilder von den Spielen in Frankreich über den europäischen Fußballverband. Doch dieser zeigt nur, was ihm genehm ist, und zensiert die Bilder. Nicht gesendet werden etwa Schlägereien und Flitzer im Stadion.
„Wir waren nicht zufrieden mit dem Bildangebot nach Abpfiff des Spiels England - Russland, das haben wir deutlich angemerkt“, sagte Gruschwitz. Die Prügeleien im Stadion von Marseille hatte die UEFA nicht angeboten. Auch der Flitzer bei der Partie Kroatien gegen die Türkei am Sonntag war in der ARD kaum zu sehen, weil die UEFA es so wollte und nur bestimmte Kameraperspektiven zeigte.
„Wir gehen davon aus, dass wir alle relevanten Bilder bekommen“, forderte der ZDF-Sportchef: „Das beinhaltet nicht nur Bilder vom Spielfeld, sondern auch alles, was abseits passiert.“ Die UEFA hatte dazu mitgeteilt: „Wir wollen nicht, dass Szenen von Gewalt im Fernsehen zu sehen sind.“ Die Sender wollen darüber aber selbst entscheiden.
„Wenn wir etwas für journalistisch geboten halten, werden wir es auch zeigen“, sagte der ZDF-Sportchef: „Das heißt nicht, dass wir jede Prügelei in Nahaufnahme bringen.“ ZDF-Kommentator Oliver Schmidt hatte „die Szenen im Stadion gesehen und wie ein Radio-Reporter rübergebracht. Das fanden wir super.“
Der Dachverband befürchtet einen Nachahmungseffekt. Deshalb werden auch keine Bilder von Fans gezeigt, die bei Spielen auf den Platz laufen. Das ZDF hätte die Ausschreitungen im Stadion von Marseille mit eigenen Kameras zeigen dürfen, hieß es beim Verband.
„Die Argumentation der UEFA ist formal korrekt, dass wir eigene Kameras einsetzen können“, sagte Gruschwitz: „Aber wir haben nur bei den deutschen Spielen eine ausreichende Zahl von Live-Kameras im Einsatz, um alles abdecken zu können.“ Bei Spielen ohne deutsche Beteiligung haben ARD und ZDF zwar auch eigene Kameras: „Aber diese sind nicht im Live-Einsatz, sondern für Nachberichte und Interviews.“
Aus diesem Grund gab es auch am Tag nach dem Skandal-Spiel in Marseille Bilder von den Stadion-Prügeleien in der ARD. Diese sind weiterhin in der Mediathek des Senders zu sehen. Das Erste will auch zukünftig „alles daran setzen, derartige Vorfälle mit eigenen Teams und Kameras zu dokumentieren wie es uns jetzt auch gelungen ist“, kündigte Schönenborn an.
Neu ist die Diskussion um zensierte Bilder nicht, sie kommt fast regelmäßig bei sportlichen Großveranstaltungen auf. Dass die Beschränkungen ein Teil der millionen-schweren Verträge zwischen Verband und Fernsehsendern ist, lässt sich vermuten. Doch darüber schweigen die Beteiligten.
Der Münchner Medienwissenschaftler Michael Schaffrath sagte: „Die Problematik des Nachahmens ist nicht von der Hand zu weisen.“ Die Hooligan-Gewalt sei nicht für jeden befremdlich. „Auf den einen wirkt das abschreckend, auf den anderen motivierend. Das ist in der Gesellschaft so.“