Die zwei Gesichter des Paul Jäger

Der Finanzvorstand wird wohl einziger Kandidat für das Amt des Vorstandschefs. Eine Annäherung an einen Funktionär und Fan.

Düsseldorf. Paul Jäger taucht ab. Als wir ihn am Dienstag erreichen, steigt er gerade in den Zug, der ihn unter dem Ärmelkanal hindurch nach London bringt. „Zwei Tage Urlaub“, sagt der 56-Jährige knapp. Der Finanzvorstand von Fußball-Zweitligist Fortuna will noch einmal durchatmen, bevor er fast 25 Jahre Engagement bei „seinem“ Verein mit der Kandidatur für das Amt des Vorstandsvorsitzenden krönt. Dass es so kommt, gilt als ebenso sicher wie die Tatsache, dass Jäger der einzige Kandidat bleiben wird. Der Aufsichtsrat wird den Diplom-Kaufmann, der schon seit 1989 die Geschicke des Vereins mitgestaltet, nach den Herbstferien fragen, ob er es machen will. Und Jäger wird „Ja“ sagen. Auch, wenn er zu dieser „hochsensiblen“ Frage erst einmal gar nichts mehr sagen wollte.

Wie tickt der Mann, den viele „Mister Fortuna“ nennen? Der angeblich in den schwersten Zeiten des Klubs — wie andere Vorstände auch — mit seinem Privatvermögen für Fortunas Darlehen bürgte, um Spielergehälter zahlen zu können — auch wenn er das nie kommentieren wollte. Der dabei war, als Fortuna sich unter Präsident Helge Achenbach mit dem Sportwelt-Deal über 15 Millionen Mark eine bittere Suppe einbrockte, die der Verein noch bis 2023 auslöffeln muss. Immerhin sieht man nun den Grund des Tellers.

Dass der Mann, der 2010 Werner Sesterhenn als Finanzvorstand ablöste, auf der Fortuna-Homepage „als ausgewiesener Experte in Sachen Lizenzierung geführt wird“ überrascht da nicht. Spötter sagen zuweilen, Jäger sei der Einzige, der in den vergangenen Jahren überhaupt noch den Durchblick bei den Klub-Geldern hatte.

Wie der „Mensch“ Paul Jäger drauf ist, hat er in der vergangenen Saison vielleicht am besten selbst beschrieben. „Ich bin, wie ich bin, häufig zu emotional, aber in der Maloche rational, und ich ändere mich auch nicht mehr!“ Das schrieb Jäger in einer Stellungnahme, nachdem er nach dem Pokal-Aus in Offenbach (0:2) gegenüber Fans nach eigener Aussage „ausgeflippt“ war. Die Anhänger, die aus Protest gegen das Sicherheitspapier von DFL und DFB die Mannschaft nicht angefeuert hatten, hatte er auf einem Parkplatz unflätig beschimpft.

Inzwischen ist Gras über diese Sache gewachsen. Doch sie zeigt, die andere, die impulsive Seite Jägers. Fühlt er sich oder Fortuna einem Unrecht ausgesetzt, kann er aus der Haut fahren. So auch beim Zweitliga-Spiel der Fortuna gegen Osnabrück im Februar 2011, als ein Böller von der Südtribüne zwei Kameraleute verletzte. Jäger schnappte sich das Mikrofon und forderte die Fans auf, den Werfer zu überführen: „Wenn wir den Täter von euch nicht bekommen, dann dürft ihr auch von uns nichts mehr erwarten.“ Jäger war einer der ersten deutschen Vereinsfunktionäre, die DFB-Geldstrafen wegen Pyrotechnik oder Randale konsequent auf die Verursacher zu übertragen suchten, um den finanziellen Schaden für den Verein zu minimieren.

Dabei hat Jäger den Fortuna-Fans auch schon viel verziehen. Auch so genannten Problemfans. Als 2011 ein Düsseldorfer Ex-Hooligan gegenüber der WZ auspackte, sagte dieser: „Der Verein ging jahrelang lasch mit den eigenen Fans um. (. . .) Paul Jäger ist sehr sensibel für das Thema Hooligans. Doch nach dem Böllerwurf war bei ihm wohl eine Schmerzgrenze erreicht.“ So hätten 2011, mit Jägers Wissen, etwa 40 Hooligans mit Stadionverbot weiterhin in die Arena gedurft, damit man sie besser im Griff habe. Eine Maßnahme, die nicht fruchtete. Der in den vergangenen zwei Jahren tobende Machtkampf zwischen Hooligans und Ultras in der Kurve forderte Verletzte, führte zu einer Spaltung der Szene.

Ob nun Jäger-Befürworter oder Gegner, in einem sind sich alle einig: Wenn der 56-Jährige die Nachfolge von Peter Frymuth antritt, hat Fortuna einen Vorstandsvorsitzenden, der — so heißt es — „Fortuna lebt wie kaum ein anderer“. Der Finanzvorstand ist nicht nur Herr der Zahlen, ein nüchterner Funktionär, sondern auch ein glühender Fortuna-Anhänger. Auch wenn ihn gerade das manchmal zum Überkochen bringt.