Fortuna Düsseldorf Fortuna trennt sich von Dirk Kall
Der Vorstandschef verlässt den Verein nach rund eineinhalb Jahren. Er hatte im Aufsichtsrat keine Verbündeten mehr. Eine Analyse.
Düsseldorf. Wer in den Sommermonaten regelmäßig den Statements der Verantwortlichen lauschte, konnte den Eindruck bekommen, die Champions League sei für die Fortuna nur noch eine Frage der Zeit. Egal, wer da sprach, sie alle erzählten unermüdlich von der Aufbruchstimmung und der Euphorie, die derzeit um Düsseldorfs bekanntesten Sportverein herrsche.
Nun, knapp zwei Monate nach dem Saisonstart der 2. Fußball-Bundesliga, ist davon nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Die derzeitige Stimmung rund um die Fortuna erinnert eher an die düsteren Dritt- oder gar Viertligazeiten. Die Mannschaft ist völlig neben der Spur und steht mit nur einem Sieg aus zehn Spielen auf dem drittletzten Platz. Die Fans wenden sich ab oder verlangen allwöchentlich Erklärungen für die desolaten Auftritte. Und in den Gremien wie Vorstand oder Aufsichtsrat rumort es gewaltig.
Kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht. Erst recht nicht, nachdem sich die Fortuna am Montag von ihrem Vorstandsvorsitzenden Dirk Kall trennte. Offiziell natürlich „in beiderseitigem Einvernehmen“. Doch das kann getrost in die Abteilung „branchenübliche Rhetorik“ verbannt werden.
Viel spannender ist da schon Kalls Statement in der offiziellen Mitteilung des Vereins. Dort heißt es: „Nach reiflicher Überlegung, intensiven Gesprächen und den Signalen aus dem Aufsichtsrat halte ich diesen Weg für alternativlos.“ Wie die „Signale“ ausgesehen haben, kann sich jeder denken: „Geh’ freiwillig oder wir ziehen die Notbremse“, wird der Aufsichtsrat dem Vorstandschef mitgeteilt haben.
Bereits im Mai, nach der katastrophalen Rückrunde, wollten Teile des neunköpfigen Gremiums die Zusammenarbeit mit dem 48-Jährigen beenden. Doch damals fand sich keine Mehrheit. Vor allem die „Fan-Fraktion“ im Aufsichtsrat — Vorsitzender Marcel Kronenberg und Björn Borgerding kommen aus der Fanszene — hielt Kall die Treue. Nun scheint auch die von ihm abgerückt zu sein.
Dabei kann sich die Bilanz seiner knapp eineinhalbjährigen Amtszeit wirtschaftlich sehen lassen. Der Club ist gesund und schreibt schwarze Zahlen. Die Dauerkarten- und Mitgliederzahlen sind trotz der sportlichen Talfahrt der jüngeren Vergangenheit stabil. Auch die Sponsoren halten der Fortuna die Treue.
Doch die Basis hatte andere Probleme mit dem Ex-Telekom-Manager. Zwar beschrieb der sich im Interview mit der „Bild“ „als emotionaler Typ mit einem rationalen analytischen Kern“, die erste Eigenschaft kam den Fans aber zu kurz.
Bereits die vielen Entlassungen von verdienten Mitarbeiten stießen ihnen sauer auf. Weiter ging es, als die aktive Fanszene der Fortuna zu ihrem 120. Geburtstag eine imposante Pyroshow an der Rheinpromenade schenkte. Reaktionen aus dem Vorstand? Null. Als es vor dem Bochum-Spiel darum ging, gegen die Flüchtlingsaktion der „Bild“-Zeitung vorzugehen, setzte sich Kall über die Meinung der Fans und der Fan-Fraktion im Aufsichtsrat hinweg. Das Tischtuch war zerschnitten.
Auch sein Verhältnis zu Finanzvorstand Paul Jäger, der das Amt nun kommissarisch übernehmen wird, ist angespannt. Sieht Jäger sich doch selbst als Idealbesetzung und neidete Kall das Amt vom ersten Tag an. Zwar versuchten beide, in der Öffentlichkeit Zusammenhalt zu demonstrieren, nur glauben konnte es ihnen keiner.
Hinzu kam nun der sportliche Absturz, den Kall zumindest mitzuverantworten hat. Der bislang so glücklose Trainer Frank Kramer ist sein Mann. Das Gleiche gilt für Manager Rachid Azzouzi, der nicht die souveränste Figur abgibt und sich seit Wochen in Durchhalteparolen versucht. Doch das sind derzeit nur zwei Baustellen im Gesamtkunstwerk, das sich Fortuna nennt.