Fortuna Düsseldorf Klaus Allofs erinnert sich an Fortunas Europacup-Finale vor 40 Jahren

Düsseldorf · "Nur gegen Uruguay habe ich noch mehr auf die Socken bekommen“. Der frühere Fortuna-Stürmer und spätere langjährige Manager von Werder Bremen erinnert sich.

Foto: WITTERS/WilfriedWitters

Es war der wohl größte Moment in der inzwischen 124-jährigen Vereins-Historie von Fortuna Düsseldorf. Vor genau 40 Jahren - am 16. Mai 1979 - spielte die Fortuna in Basel gegen den FC Barcelona um den Gewinn des Europapokals der Pokalsieger. Erst in der Verlängerung musste sich die Mannschaft von Trainer Hans-Dieter Tippenhauer mit 3:4 geschlagen geben. Wir trafen uns mit Klaus Allofs. Der frühere Fortuna-Stürmer und spätere langjährige Manager von Werder Bremen erinnert sich.

Frage: Herr Allofs, in den vergangenen Monaten ist es etwas ruhiger um Sie geworden. Haben Sie überhaupt noch Lust, im Fußballgeschäft zu arbeiten?

Klaus Allofs: Ich stehe ja bis zum 30. Juni noch beim VfL Wolfsburg unter Vertrag. Die Trennung dort im Dezember 2016 habe ich als Gelegenheit gesehen, eine Pause einzulegen. Ich war nach 13 Jahren Werder Bremen und vier Jahren beim VfL Wolfsburg insgesamt 17 Jahre sehr erfolgreich ununterbrochen in vorderster Linie. Das Thema "Engagement im Fußball" ist weiterhin aktuell. Meine Pläne gehen in die Richtung, wieder Verantwortung zu übernehmen.

Foto: Thomas Schulz

Frage: Beim Blick auf Ihre früheren Vereine als Spieler und Manager müssten Sie über beide Wangen strahlen...

Allofs: Besonders die Entwicklung von Werder ist toll. Dort schaue ich natürlich genauer hin, weil ich mit vielen der handelnden Personen schon damals zusammengearbeitet habe. Mit Marco Bode habe ich sogar noch gemeinsam gespielt, Frank Baumann war mein Assistent als Manager und Klaus Filbry mein Partner in der Geschäftsführung. Beim 1. FC Köln ist der Erfolg derzeit ja eher auf einem anderen Niveau angesiedelt, dafür hat sich der VfL Wolfsburg wieder stabilisiert. Ja, und Fortuna ist ein kleines Wunder. Den Klassenerhalt zu schaffen ist eine Sache. Ihn jedoch so souverän zu schaffen, das muss man schon hervorheben. Friedhelm Funkel ist für diesen Verein der richtige Mann zur richtigen Zeit.

Frage: Die Qualifikation für einen Europa-Cup ist allerdings in naher Zukunft wohl eher ein Traum. Vor 40 Jahren hingegen stand die Fortuna sogar im Endspiel um den Europapokal der Pokalsieger. Was fällt Ihnen dazu als erstes ein?

Allofs: Dass dieses Spiel von seiner Qualität her nicht weit weg war von den gerade erlebten Halbfinals der Champions League. Sonst war der Fußball seinerzeit schon weniger dynamisch, aber dieses Duell mit dem FC Barcelona wurde mit offenem Visier ausgetragen. Wir sind so viel gelaufen wie nie zuvor, es war wirklich ein Spiel auf hohem Niveau. Und das bei Bedingungen, bei denen heute keiner mehr antreten würde. Der Rasen war eine Katastrophe, der Torraum ohne Gras und auf den Linien derart dick Kreide aufgetragen, dass es bei jeder Berührung mächtig gestaubt hat.

Frage: Mächtig viel Staub wirbelt in der Familie Allofs sicher auch weiterhin der Treffer zum 1:1 auf. Mal Hand aufs Herz, wer hat denn den Ball damals nun wirklich über die Linie gedrückt - Sie oder ihr Bruder Thomas?

Allofs: In der Statistik steht Thomas, dann wird er es wohl gewesen sein (schmunzelt). Natürlich haben wir zwei immer wieder mal darüber gesprochen und auch Witze gemacht, doch die ganz große Bedeutung hat es für uns beide nie gehabt. Ich glaube aber schon, dass wir den Ball tatsächlich gemeinsam ins Tor gebracht haben. Auch wenn so eine Geschichte gerade bei Brüdern als allzu erfunden erscheint.

Frage: Bevor sie sich in Basel in die Flanke werfen konnten, mussten vier Runden überstanden werden. Universitatea Craiova, der FC Aberdeen, Servette Genf und Banik Ostrau klingen heute nicht mehr nach großer Fußball-Welt. Wie schwer war der Weg?

Allofs: Es war ja so, dass man über die Gegner nichts wusste. Wir konnten uns kaum auf sie vorbereiten, weil anders als heute kein Bild-Material zur Verfügung stand. Aber noch viel abenteuerlicher waren die Reisen, besonders Craiova in Rumänien war ein sehr einschneidendes Erlebnis. Wir sind bis Bukarest geflogen und dann mit dem Bus weiter gefahren. Was wir da zu sehen bekamen, war die bitterste Armut. Die Menschen haben sogar bei uns am Bus gebettelt.

Frage: Betteln mussten auch die Fans der Fortuna, nämlich um Karten für das Finale in Basel. Das Stadion im Sankt-Jakob-Park war mit 58 500 Zuschauern picke-packe-voll...

Allofs: Das war für die damalige Zeit wirklich eine enorme Kulisse, obwohl ich jetzt mal ein wenig lästern muss. Wenn ich überall höre, wer alles mitgereist sein will, dann müssten mehr als 100 000 Düsseldorfer in Basel gewesen sein. Aber natürlich herrschte eine große Begeisterung, es hat schon eine Pilgerfahrt in die Schweiz stattgefunden und mir ist auch im Bewusstsein geblieben, dass wirklich viele Fortuna-Fans im Stadion waren. Das war schon klasse, auch weil die Menschen ja noch nicht so mobil waren.

"...dann hätten wir glaube ich gesiegt"

Frage: Die Unterstützung hätte sich beinahe ausgezahlt, erst nach Verlängerung musste sich die Fortuna geschlagen geben. Hatte der FC Barcelona denn damals auch schon eine so starke Mannschaft wie man sie heute mit ihm assoziiert?

Allofs: Da stand die halbe spanische Nationalmannschaft auf dem Platz, dazu Johan Neeskens und Hans Krankl als die seinerzeit erlaubten zwei Ausländer. Wir waren krasser Außenseiter und sind mit einer großen Menge Respekt, aber ohne Angst ins Spiel geangen. Was bei Barcelona damals anders war, war die Spielweise. Sie haben sehr robust agiert, wollten uns so den Schneid abkaufen. Nur in einem Länderspiel gegen Uruguay habe ich noch mehr auf die Socken bekommen als in diesem Finale. Wir konnten jedoch dagegen halten, haben viele Zweikämpfe gewonnen und waren durch unsere Schnelligkeit auch spielerisch gleichwertig. Es stand komplett auf der Kippe und wenn wir komplett geblieben wären, dann hätten wir glaube ich gesiegt.

Frage: Sie spielen auf die frühen Verletzungen von Gerd Zimmermann und Dieter Brei an?

Allofs: Ja, beide mussten leider früh raus. Besonders für Gerd Zimmermann hatte die Intensität der Zweikämpfe fatale Folgen, er hat nie wieder gespielt und ist Sport-Invalide geworden. Flemming Lund und Sepp Weikl haben nach ihren Einwechslungen die Sache gut gemacht, aber Zimmermann und Dieter Brei waren für uns von enormer Bedeutung. "Zimbo" nicht nur wegen seiner gefürchteten Distanzschüsse, sondern weil er das Spiel von hinten heraus mit überragenden Pässen hervorragend aufgezogen hat und Dieter Brei, weil er stets ein unglaubliches Laufpensum an den Tag legte.

Frage: So ging eine wohl einmalige Chance dahin. Was haben Sie gefühlt?

Allofs: Alle waren leer. Wir waren ja so dicht dran. Besonders für die älteren Spieler wie Gerd Zewe und Wolfgang Seel war es schlimm. Sie wussten, dass sie diese Chance wohl kein zweites Mal bekommen werden. Für mich als 22-Jährigen hielt es sich noch in Grenzen. Ich habe gehofft, dass ich einen Europapokalgewinn nachholen kann.

Frage: Wie waren die Reaktionen und der Empfang in Düsseldorf?

Allofs: Tja, es war halt eine andere Zeit. Wir hatten uns gegen den großen FC Barcelona zwar heldenhaft gewehrt und damit beste Werbung für die Fortuna gemacht. Doch wo heutzutage drei Sonderseiten gedruckt werden würden, war damals lediglich eine Viertelseite in der Zeitung und zu unserem Bundesliga-Spiel drei Tage später gegen Arminia Bielefeld kamen gerade einmal

16 000 Zuschauer ins Rheinstadion. Aber vielleicht waren die ja anderen ja nur noch nicht aus Basel zurück (lacht).

Frage: Ihre Hoffnung aber hat sich erfüllt. Sie haben 1992 den Europapokal der Pokalsieger dann tatsächlich noch gewinnen können...

Allofs: Ja, mit Werder Bremen durch ein 2:0 gegen die AS Monaco. Ich habe das erste Tor sogar selbst erzielt sowie das zweite von Wynton Rufer vorbereitet. Allerdings war der Rahmen nicht so toll wie 13 Jahre zuvor. In der riesigen Schüssel Lissabons verloren sich nur 15 000 Zuschauer. Für die Portugiesen war das Finale uninteressant, für Werder-Fans weit entfernt und Monaco hat eh kaum Fans. Zudem waren einen Tag zuvor bei einem Spiel auf Korsika durch den Einsturz einer Tribüne 17 Menschen getötet worden, wir spielten daher mit Trauerflor. Eine richtige Endspiel-Stimmung kam nie auf, wir haben sie uns nach dem Abpfiff halt selber schön machen müssen. Aber es stimmt, die beiden Europacup-Finals waren Anfang und Ende meiner Karriere.

DER WEG NACH BASEL

Erste Runde: Universitatea Craiova 1:1/4:3

Achtelfinale: FC Aberdeen 3:0/0:2

Viertelfinale: Servette Genf 0:0/1:1

Halbfinale: Banik Ostrau 3:1/1:2

DAS FINALE

Aufstellung Fortuna: Daniel - Baltes, Zimmermann (ab 4. Lund), Zewe, Brei (ab 24. Weikl) - Köhnen - Schmitz, Bommer - Thomas Allofs, Seel - Klaus Allofs. Trainer: Tippenhauer.

Aufstellung FC Barcelona: Artola - Albaladejo (ab 57. de la Cruz), Costas (ab 68. Diaz), Migueli, Zuviria - Asensi, Neeskens - Carrasco, Rexach - Krankl, Sanchez. Trainer: Rife.

Schiedsrichter: Palotai (Ungarn)

Zuschauer: 58 500 in Basel

Tore: 0:1 Sanchez (5.), 1:1 Thomas/Klaus Allofs (8.), 1:2 Asensi (34.), 2:2 Seel (41.); 2:3 Rexach (103.), 2:4 Krankl (111.), 3:4 Seel (114.)