Kandidat für das Amt des DFB-Präsidenten Fritz Keller, der Mann, der weiß, wie hoch die Trauben hängen
Winzer, Gastronom und Hotelier von Beruf – die Findungskommission des Deutschen Fußball-Bundes macht den Präsidenten des SC Freiburg zum Kandidaten für das Amt des DFB-Präsidenten.
Es klingelt durch. Einmal, zweimal, dann meldet sich eine kernige Stimme: „Keller“. Es ist relativ früh am Morgen, aber der Mann ist ja kein Langschläfer. Fritz Keller ist in diesem Augenblick nicht der Präsident des SC Freiburg, als den wir ihn sprechen wollen, er ist der Winzer Fritz Keller und steht inmitten seiner Reben im Kaiserstuhl. Bevor der Fußball Thema wird, schildert Keller erst mal das, was er sieht: Natur, Grün, Reben, Trauben, Schönheit. Und was er fühlt: Arbeit, Lust auf Arbeit, Vorfreude auf das Ergebnis der Arbeit, die da Weinlese heißt. Es ist Erntezeit. „Und wenn Ernte ist, bin ich morgens bei den Reben.“
Fritz Keller ist ein mehrfach prämierter Winzer. Sein ältester Sohn Friedrich hat sich diesem Beruf, der mehr ist als das, nämlich Berufung, ebenfalls verschrieben. Vater und Sohn sind 2018 vom Gault&Millau-Weinführer zu den „Winzern des Jahres“ gekürt worden. Weine machen, Weine schaffen ist ein Kunstwerk, wenn Fritz Keller über Burgunder referiert, kommt seine Stimme schon mal ins Singen. Durchaus passend hat er dem Wein-Journal bonvinitas verraten, wie er sich selbst sieht: „Als Menschenfreund, der gerne genießt und immer Freude hat, Menschen, insbesondere auch neue Menschen zu treffen.“ Die trifft der umtriebige Mann auch in seinem Hotel, dem „Schwarzen Adler“ in Oberbergen-Vogtsburg inmitten einer „gottbegnadeten Gegend“, wie er selbst voller Zufriedenheit und Glück befindet. Und er findet sie beim Fußball. Denn dieser Sport ist Kellers zweite, eigentlich ja erste Leidenschaft.
Angefangen hat sie im Kindesalter. Bei Vater Franz im „Schwarzen Adler“ feierten anno 1954 drei Tage lang Sepp Herberger und seine glorreichen Fußballer das Wunder von Bern. Der 2002 verstorbene Fritz Walter, der geniale Spielführer der Herberger-Elf, den seine Teamkollegen „Friedrich“ nannten, ist der Patenonkel von Fritz Keller – weshalb der ganz präzise auch Friedrich „Fritz“ Walter Keller heißt. Selbst kicken durfte der junge Bub nicht, „wenn die Spiele waren, musste ich im Betrieb mithelfen, in der Küche, Viertele einschenken, servieren und so weiter“. Erst als der junge Fritz die Unterschrift seines Vaters nachmachen konnte und so fähig war, das Ergebnis einer vorgeschriebenen sportärztlichen Untersuchung als Franz Keller zu unterzeichnen, konnte er einige Male im Team dem Ball nachflitzen. „Das gab natürlich Ärger zuhause“, sagt Keller und lacht, „aber mit einer Karriere wäre es sowieso nichts geworden: Ich war zwar schnell, aber der Ball war nicht so mein Freund.“
Andere Zeiten, andere Sitten. „Heute fahren die Eltern ihre Kinder kilometerweit zum Training hin und her“, sagt Keller, der das auch aus eigener Erfahrung kennt. Er durfte nicht, aber seine drei Söhne kickten schon. „Der Fußball ist eine Lebensschule“, sagt Keller, „der Fußball ist der Sport, der alle Menschen verbindet, egal welcher Hautfarbe, egal welcher Sprache, egal welcher Herkunft und welchen Verdiensts.“ Mit der handgenähten Lederkugel der alten Zeit sozusagen sozialisiert, hatte Fritz Keller später ein Erlebnis, das sich unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt und ihn in seiner Auffassung vom Segen des Fußballsports bestärkt hat. „Wir waren mal mit der Familie in Südfrankreich“, erzählt Keller, „die Jungs haben im Auto fürchterlich genervt, dann habe ich an einem Campingplatz angehalten und ihnen einen Ball mitgegeben. Sie waren den ganzen Tag fort – und als sie abends zurückkamen, brachten sie neue Freunde mit.“ Fußball, Sport ohne Grenzen, Sport ohne Schranken. „Fußball“, drückt es Keller aus, „Fußball bemüht die Seele.“
In diesem Sinne sollen sich die führenden Vertreter dieses Sports auch gesellschaftlich einbringen, meint Keller. „Es passiert Besorgniserregendes in unserem Land und weltweit. Es gibt so viele Despoten und Leute mit vermeintlich einfachen Wahrheiten. Man meint gerade, die waren noch nie im Geschichtsunterricht.“, sagt Keller und fordert auf, „Stellung zu nehmen. Es geht um Europa, es geht um Freiheit, es geht um Gerechtigkeit und es geht auch, um einen christlichen Begriff zu nehmen, um Nächstenliebe.“ Das gehöre zum Sport unbedingt mit dazu.
Es ist ein meinungsstarker Mann und ein wahrer Freund des Fußballs, der nun von der Findungskommission des Deutschen Fußball-Bundes auserkoren wurde, nächste Präsident des weltgrößten Sportverbandes zu werden. Die Experten attestieren Keller, dass er „als Präsident des SC Freiburg über alle Maßen fachlich und charakterlich überzeugt“ habe und eine „hoch integre Persönlichkeit“ sei, die „Glaubwürdigkeit und Identifikation“ vermittelt. Das ist absolut in Ordnung, wenngleich der Hochgelobte selbst ein paar kleine Einwände vorbringen würde. „Impulsiv und nicht immer diplomatisch“ sei er schon auch, mit dem ehemaligen Leverkusener Trainer Roger Schmidt ist er mal fürchterlich aneinandergeraten und der Trainerbank der Berliner Hertha hat er auch mal den Mittelfinger entgegengeschleudert. Keller gilt intern beim Sportclub Freiburg zumindest hinter vorgehaltener Hand auch als Mann mit zwei Gesichtern: höflich, nett, verbindlich und witzig nach außen, gelegentlich schwierig, emotional und unangenehm direkt nach innen. Es sind wohl auch Attribute des Erfolgs.
„Weiter mit dem Winzer“ hatte eine Zeitung den Artikel überschrieben, in dem sie 2010 über die Stocker-Nachfolge beim SC Freiburg berichtete. Weiter mit dem Hotelier, dem Öffentlichkeitsarbeiter, dem offenen, geselligen, im Zweifel aber auch streitbaren Zeitgenossen, oder weiter mit dem absoluten Fußball-Liebhaber – all das wäre auch richtig gewesen. Und nun also beim DFB? Kellers Wahl am 27. September dürfte eine reine Formsache sein. Weiter mit dem Winzer! Das passt nämlich gar nicht schlecht, denn als solcher weiß er ganz genau, wo die Trauben hängen und auch wie hoch...