Neuwahlen und Reformen: FIFA vor wilden Monaten
Zürich (dpa) - Nur Momente nach der sensationellen Rücktrittsankündigung von Joseph Blatter veröffentlichten die englischen Buchmacher schon die ersten Quoten für die möglichen Nachfolger.
Ganz oben auf dieser Liste der Kandidaten für den neuen FIFA-Präsidenten: Michel Platini, Chef der Europäischen Fußball-Union UEFA. Vor der vierten Wiederwahl Blatters hatte sich der Franzose geziert, gegen den früheren Freund und heutigen Widersacher anzutreten - seine mittelfristigen Ambitionen verhehlte er aber schon vor zehn Monaten nicht: „Es ist noch nicht an der Zeit etwas anderes zu tun.“
Doch eine weltweite Unterstützung für den Blatter-kritischen Platini erscheint zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt eher fraglich. Aber auch wenn der kürzlich als UEFA-Boss wiedergewählte frühere Weltstar sich erst in vier Jahren zu einem Anlauf entschließen sollte, stünden wohl ausreichend Bewerber um das höchste Amt im Weltfußball bereit.
Der gegen Blatter unterlegene Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien und der Niederländer Michael van Praag erklärten schon am Dienstagabend, dass sie sich eine Kandidatur zumindest offenhalten. Luis Figo, der wie van Praag vor der Wahl zugunsten al-Husseins zurückgezogen hatte, erklärte: „Wir sollten verantwortlich und ruhig eine gemeinsame weltweite Lösung finden finden.“
Vor dem Champions-League-Finale in Berlin stand schon vor der überraschenden Ankündigung Blatters ein Treffen der Mitgliedsverbände der UEFA auf der Agenda, bei dem die nächsten Schritte besprochen werden sollen. „Da werde ich mich mit anderen austauschen“, kündigte van Praag an. „Dann werde ich mir meine weiteren Pläne überlegen.“
Es wird eine spannende Zeit bis frühestens im Dezember erstmals seit 1998 wieder ein anderer Mann als der 79 Jahre alte Blatter an der Spitze der FIFA stehen wird. Zwischen dem letzten Monat diesen Jahres und März 2016 soll ein außerordentlicher Wahlkongress stattfinden, erklärte Domenico Scala, Vorsitzender der Audit- und Compliance-Kommission sowie Chef des Wahlkomitees.
Eigentlich war Jeffrey Webb als FIFA-Vize und Präsident des Verbands von Mittel- und Nordamerika für die Rolle des von Blatter auserkorenen Kronprinzen gehandelt worden. Doch dass der Mann von den Kaimaninseln nicht mehr zur Verfügung steht, ist eines der Kernprobleme des scheidenden FIFA-Chefs: Webb war wie sechs andere Funktionäre vergangene Woche in Zürich auf Antrag der US-Behörden im Korruptionsskandal verhaftet worden.
Auch der Name des höchst einflussreichen Sportfunktionärs und neuen FIFA-Exekutivmitglieds Ahmad al Fahad al Sabah wurde auf den Züricher Fluren als potenzieller zukünftiger FIFA-Top-Mann geraunt.
Bis zur Wahl will Blatter ungeachtet des größten Skandals der FIFA-Geschichte das Amt weiter führen, mit der Unterstützung von Scala sollen noch einige Reformen umgesetzt werden: „Wir brauen einen tief verwurzelten Strukturwandel“, sagte der Schweizer bei seiner Statement vor wenigen Journalisten in der FIFA-Zentrale.
Dabei soll nach seiner Vorstellung die Größe des Exekutivkomitees reduziert werden, dessen Mitglieder sollen demnach zukünftig von den 209 Mitgliedsstaaten gewählt werden. Zudem müssten die Exko-Mitglieder von der FIFA und nicht den Konföderationen auf Integrität geprüft werden. Zudem soll die Amtszeit nicht nur für die Vertreter in der Exekutive, sondern auch für den Präsidenten beschränkt werden. Dieses Vorhaben hatte zuletzt beim Kongress 2014 noch nicht einmal eine einfache Mehrheit geschafft.