Niersbach: Der tiefe Fall nach dem steilen Aufstieg

Frankfurt/Main (dpa) - Zwischen dem größten und dem schwärzesten Moment in der Funktionärskarriere des Wolfgang Niersbach lagen nicht einmal anderthalb Jahre.

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Im Juli 2014 ließ er sich noch auf der Tribüne des Maracana-Stadions in Rio de Janeiro für den WM-Gewinn der deutschen Fußballer feiern. Am Montag trat der 64-Jährige dann im Sog der Affäre um das Sommermärchen 2006 von seinem Amt als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes zurück.

Sein miserables Krisenmanagement, die vielen Widersprüche und offenen Fragen, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und die Durchsuchungen sogar bei ihm zu Hause in Dreieich: Am Ende war das alles zu viel, um eine durchaus bemerkenswerte Laufbahn weiter fortsetzen zu können.

„Ich habe für mich erkannt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, die politische Verantwortung zu übernehmen“, sagte Niersbach am Montag nach einer Präsidiumssitzung des DFB.

Niersbach war Journalist beim Sport-Informations-Dienst (sid), als er 1988 zum DFB wechselte und seinen steilen Aufstieg innerhalb der Sportpolitik begann. Er wurde zunächst als Pressechef für die EM 1988 im eigenen Land engagiert und arbeitete sich dann beim Deutschen Fußball-Bund hoch: zum Mediendirektor, zum Vizepräsidenten des Organisationskomitees für die WM 2006, zum Generalsekretär des DFB. Am 2. März 2012 wurde er als Nachfolger von Theo Zwanziger an die Spitze des größten Sportfachverbands der Welt gewählt.

Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als könne Niersbach sogar zum neuen UEFA- oder FIFA-Präsidenten aufsteigen. Doch stattdessen begann sein schneller und tiefer Fall.

Gleich mehrfach verwickelte er sich bei der Frage in Widersprüche, wann genau er von welchen Details des Skandals erfahren haben will. Er behauptete stets: Erst in diesem Sommer. Aussagen seiner früheren Mitstreiter im Organisationskomitee und Dokumente, die das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlichte, lassen jedoch darauf schließen: schon deutlich früher.

Mit der Aufklärung beauftragte der Verband ausgerechnet eine Kanzlei, deren Partner privat mit Niersbachs Büroleiter verbandelt ist. Bei seiner denkwürdigen Pressekonferenz zu der gesamten Affäre hatte der DFB-Chef auf keine einzige Nachfrage eine schlüssige Antwort.

Ungewollt bestätigte Niersbach damit jene Zweifel, die ihn seit seiner Wahl zum Präsidenten begleiteten. Er sei eine „wandelnde Wellness-Oase“, schrieb der „Spiegel“. Niersbach sorgte überall für einen Ausgleich und eine nette Atmosphäre, er sonnte sich auch gern im Glanz des Profifußballs und großer Namen wie Franz Beckenbauer. Eine Haltung in gesellschaftlichen oder politischen Fragen hat er nie gezeigt. Eine Linie in der WM-Affäre erst recht nicht.