Van Basten und Co. zerstörten in Hamburg DFB-Traum

Hamburg (dpa) - Deutschland gegen Holland - diese Duelle waren stets von ganz besonderer Rivalität geprägt. Das war vor allem vor 25 Jahren so, als die Niederländer bei der EM 1988 ein Trauma besiegten und ausgerechnet in Deutschland den Titel gewannen.

Für einen kurzen Moment wird es noch einmal mucksmäuschenstill im niederländischen Mannschaftsbus. Da, wo Ronald Koeman, Marco van Basten, Ruud Gullit und Co. eben noch ausgelassen gesungen und getanzt haben, schauen nun alle auf den Mann, der vorne in den Bus gestiegen ist - Franz Beckenbauer. „Es fällt mir nicht leicht, aber ich finde, Holland hat verdient gewonnen. Viel Glück fürs Finale“, sagt der DFB-Teamchef, ehe er wieder geht und zu seinen Verlierern in den eigenen Bus steigt.

An einem Abend voller Emotionen beweist Beckenbauer in Hamburg trotz der 1:2-Niederlage im Halbfinale der Fußball-EM 1988 Größe. Deutschland gegen Holland - auf dem Platz eben doch nur ein Fußballspiel.

Für ihn sei das „die schönste Erinnerung an das Turnier“ gewesen, hat Ronald Koeman einmal gesagt. Große Worte, bedenkt man, dass die Europameisterschaft vor 25 Jahren voller positiver Erlebnisse für die Niederlande waren. Der erste und bis heute immer noch einzige große Titel für das Oranje-Team, das Prestigeduell gegen den Nachbarn ausgerechnet in Deutschland gewonnen und Revanche für die Niederlage im WM-Finale 1974 genommen - die Juniwochen 1988 verliefen für die Niederlande wie im Traum.

„Onvergetelijk“ (Unvergesslich“) hat das niederländische Fußball-Magazin „Elf Voetbal“ dieser Tage auf die Titelseite seines Sonderheftes „De Helden van '88“ (Die Helden von '88) geschrieben. Auch ein Vierteljahrhundert später zählt der EM-Sieg in Deutschland und speziell der Halbfinalerfolg gegen die DFB-Elf zu den Sternstunden der niederländischen Sportgeschichte. Was für die Deutschen das Wunder von Bern 1954 ist für die Niederländer der Titel von 1988.

„EINDELIJK WRAAK“ (Endlich Rache), titelte die niederländische Tageszeitung „De Telegraaf“ am Tag nach dem Triumph von Hamburg. Angeblich saßen damals 95 Prozent der Bevölkerung in Holland vor dem Fernseher, um die Partie im Volksparkstadion zu verfolgen. Der erste Sieg gegen den großen Nachbarn seit 32 Jahren löste auf den Straßen spontane Freudentänze aus. In Hamburg verspürte besonders ein Mann große Genugtuung: Bondscoach Rinus Michels.

14 Jahre zuvor hatte „der General“ im WM-Finale von München eine der bittersten Niederlagen seiner Karriere hinnehmen müssen, nun ist ihm endlich die Revanche gelungen. Auch für seine Spieler ist der Triumph von Hamburg voller Emotionalität, in dem mancher für einen Moment auch Anstand und Benehmen vergisst. So wischt sich Koeman mit dem Trikot von Olaf Thon symbolisch den Hintern ab - ein Bild, das die deutschen Fußball-Fans auch Jahre später noch erzürnte.

Thon bekam davon unmittelbar nach der Partie nichts mit. „Ich habe es erst ein paar Tage später erfahren“, sagte die Schalke-Ikone der Nachrichtenagentur dpa. Böse ist er dem Niederländer nicht mehr. „Ich kann die Aktion von Koeman aber sogar ein bisschen verstehen, weil er gefühlte 100 Jahre nicht gegen Deutschland gewonnen hatte.“

Mann des Turniers wird van Basten. Gegen Deutschland holt er nach dem 0:1 durch einen Foulelfmeter von Lothar Mattäus den Strafstoß heraus, den Koeman zum 1:1 verwandelt. Und in der 89. Minute ist er den einen Schritt schneller als sein Bewacher Jürgen Kohler, der ihn das 2:1 schießen lässt. Die Krönung folgt für den Weltklasse-Stürmer vier Tage später beim 2:0 im Finale gegen die UdSSR. Van Bastens Volley-Kracher aus spitzem Winkel zum Endstand gilt noch heute als eines der schönsten Tore der Fußballgeschichte. „Unglaublich, wie er den damals reingemacht hat“, erinnerte sich später Ruud Gullit.

Die deutschen Spieler mussten dagegen noch zwei Jahre bis zu ihrer Vollendung warten. Doch bei der WM 1990 in Italien gelingt ihnen im Achtelfinale nicht nur die Revanche gegen Holland, sondern auch der dritte Weltmeistertitel. Natürlich sei der Frust nach der Niederlage 1988 groß gewesen, gestand Thon. „Aber ich glaube, wenn man die beiden Spiele zusammennimmt, Halbfinale 1988 verloren und dann zwei Jahre später im Achtelfinale gewonnen und danach Weltmeister geworden, sind wir damit ganz gut bedient.“