Biergarten und Fußball: Public Viewing im Nordirak
Erbil (dpa) - Während in Mossul sunnitische Extremisten den Menschen Alkohol und Spiele verbieten, treffen sich im benachbarten Erbil Ausländer beim Public Viewing im deutschen Biergarten. Zur Zitterpartie gegen Algerien gibt es Käsespätzle und Schnitzel.
Es sind parallele Universen. In der nordirakischen Millionenstadt Mossul machen sich dschihadistische Milizionäre daran, ein Kalifat zu errichten. Die Isis-Terroristen haben strenge Regeln eingeführt: Das Schauen von Fußballspielen ist verboten, Alkohol sowieso, wer bei Unerlaubtem erwischt wird, riskiert schlimmstenfalls sein Leben.
80 Kilometer weiter, ebenfalls im Nordirak, sieht die Welt ganz anders aus. „Hier ist alles wie immer“, sagt Gunter Völker aus Tabarz im Thüringer Wald, Spezialist für Gasthäuser in Krisenregionen. Eine internationale Gemeinde hat sich in seinem Deutschen Hof in Erbil zum Public Viewing versammelt. Die WM in Brasilien ist hier eine willkommene Ablenkung. „We are the champions“ ertönt es aus den Lautsprecherboxen, bevor auf der Großleinwand das Achtelfinale der deutschen Nationalelf gegen Algerien beginnt. An den schwarz-rot-goldenen Tischen und Bänken sitzen unter Sonnenschirmen die Fußballfans bei Bier, Wein, Käsespätzle und Schnitzel. Seine Stammkunden machen alle auf irgendeine Weise „etwas mit Öl“, sagt Völker.
Es ist der Fastenmonat Ramadan und in vielen islamischen Ländern ist es momentan schwer, Alkohol zu bekommen. Nicht in Erbil. „Hier ist Ramadanfreie Zone“, sagt einer der Gäste Völkers. Der Deutsche Hof liegt im Christenviertel Ankawa - ein Stadtteil mit auffällig vielen Bier- und Weingeschäften. Der Gastwirt unterstützt die deutsche Nationalelf - unübersehbar. Der 50-Jährige trägt einen Hut in Deutschlandfarben und drei Fußbällen obendrauf. Um den Hals hat er einen Plastikblumenkranz in Deutschlandfarben gehängt. Seine Angestellten tragen Deutschlandfahnen in allen Variationen: Als Mützen, Schweißbänder, T-Shirts.
Die meisten Gäste sind ebenfalls für Deutschland - und mit jeder verpassten Chance wird die Enttäuschung größer. Am Ende, beim Sieg Deutschlands ist die Erleichterung groß. „Den Algeriern hat das Fasten wohl kaum geschadet“, kommentiert ein Biergartenbesucher den starken Auftritt des nordafrikanischen Teams und meint die Diskussion darüber, ob der Ramadan den muslimischen Spielern womöglich Nachteile bringe. In Ägypten dachten Salafisten derweil laut darüber nach, es Isis gleichzutun und den Fußball ganz zu verdammen. Die Gründe sind vielfältig: die kurzen Hosen der Spieler etwa oder auch die Tatsache, dass Muslime beim Fußball „Ungläubigen“ zujubeln.
In Iraks Kurdistan spielen solche Debatten keine Rolle, sagt Völker. „Hier darf jeder leben, wie er will.“ Der ehemalige Soldat hatte schon einen Deutschen Hof in der afghanischen Hauptstadt Kabul gegründet, bevor er 2005 nach Erbil kam. Er ist den Umgang mit Fundamentalisten gewöhnt. Erbil empfindet er als liberal. „Wer hier fastet, tut es, weil er daran glaubt, und nicht, weil er sonst ins Gefängnis kommt.“ Kurdistan hat er ins Herz geschlossen. Wie alle Kurden im Nordirak hofft er in diesen Tagen auf die Unabhängigkeit. Doch plant er bereits wieder ein neues Projekt: eine Hotelschule in Sri Lanka.