WM-Achtelfinale Sbornaja fordert Spanien: „Bloß kein Russisch Roulette!“
Moskau (dpa) - Bloß keine Blamage! Spanien geht mit einem flauen Gefühl in die Achtelfinal-Partie am Sonntag (16.00 Uhr MESZ) im Luschniki-Stadion gegen Außenseiter Russland.
Die Debatte um Interimscoach Fernando Hierro, die fünf Gegentore für den wackligen Keeper David de Gea in der Vorrunde, dazu die Zweifel an der Generation um Oldie Andrés Iniesta: All diese Themen nerven den Favoriten vor dem ersten K.o.-Spiel. Der WM-Gastgeber will hingegen „das Mirakel von Moskau“ schaffen, wie es russische Zeitungen nennen.
Bayern-Profi Thiago hat die Nase voll von der öffentlichen Kritik. „Ihr seid doch auch Spanier und solltet selbstkritisch sein. Wir sind Erster geworden, ohne unseren besten Fußball zu zeigen“, sagt der 27-Jährige bei einem verbalen Konter gegen Reporter. „Aber wir stehen hier alle zusammen, um zu gewinnen, und wenn ihr uns nicht helft...“
Auch der Real-Profi und Ex-Leverkusener Daniel Carvajal klagt: „Wir haben viel Kritik abbekommen, mehr als wir verdient haben. Wir sind seit zwei Jahren ungeschlagen.“ 20 der 22 Spiele gehen aber auf das Konto von Julen Lopetegui, der den Trainerstuhl vor der WM räumen musste. Nachfolger Hierro kämpft weiter um Anerkennung. So kritisiert Ex-Spanien-Profi Bernd Schuster: „Spaniens Problem Nummer eins ist, dass Hierro kein Trainer ist. Er hat keine Erfahrung auf dem Niveau.“
Beim glücklichen 2:2 gegen Marokko patzten Iniesta und Kapitän Sergio Ramos. „Seit ich 30 bin, muss ich mir anhören, dass ich alt bin“, sagt der künftige Japan-Profi Iniesta. Mittelfeld-Star Isco von Real Madrid, bisher herausragend bei den Spaniern, warnt: „Das wird ein ganz schweres Spiel gegen den Gastgeber. Sie haben exzellente Spieler mit viel Qualität und eine gute Vorrunde gespielt. Auch wenn sie das letzte Spiel verloren haben. Da dürfen wir keine Fehler machen.“
Die Russen haben das 0:3 im letzten Vorrundenspiel gegen Uruguay weggesteckt und fühlen sich gut vorbereitet. „Die Spanier spielen den gleichen Fußball wie in den vergangenen Jahren. Die Verteidiger stehen sehr hoch - das schafft Raum für Konter“, sagt Rekordnationalspieler Sergej Ignaschewitsch. Und der Abwehrspieler stichelt in Richtung Ramos: „Provokateure haben es bei der WM schwerer, denn es gibt den Videobeweis. Alle spielen viel sauberer.“
Nach der weitgehend misslungenen Personal-Rotation gegen Uruguay will Trainer Stanislaw Tschertschessow wieder zur Stammelf zurückkehren, die Russland mit zwei Siegen und acht Toren im Sturmlauf ins Achtelfinale brachte. Zu offensiv dürfte es die Sbornaja aber nicht angehen. „Bloß kein Russisch Roulette!“, warnt der Sender Match TV.
Fußball-Experten im WM-Gastgeberland werten den Einzug der Mannschaft unter die 16 besten Teams als größten Erfolg der jüngeren russischen Sportgeschichte. Der bisher größte Triumph ist mit dem Namen Spanien eng verbunden: Vor zehn Jahren, bei der EM 2008, scheiterte Russland um Angreifer Andrej Arschawin im Halbfinale an den Iberern (0:3).
Bei aller Stärke sei Spanien verwundbar, sagte Stürmer Artjom Dsjuba am Freitag. „Wir wollen das kleine Wunder schaffen und das ganze Land stolz machen.“ Das WM-Achtelfinale bezeichnete er als Höhepunkt für jeden Fußballer. „Nur in der Auseinandersetzung gegen die Besten kann man wachsen. Das Spiel gegen Spanien ist wie der Boxkampf eines jungen und frechen Sportlers gegen einen erfahrenen Meister.“
Hoffnung schöpft Russland aus dem 3:3 im Testspiel gegen Spanien im November in St. Petersburg. Damals holte die Sbornaja einen 1:3-Rückstand auf. „Warum soll nicht ein Wunder geschehen?“, fragt die Zeitung „Sport-Express“ und verweist auf das Ausscheiden der deutschen Mannschaft. „Südkorea hatte gegen den amtierenden Weltmeister ebenfalls keine Komplexe. Man darf träumen!“
Im Luschniki-Stadion steigt am 15. Juli auch das Finale. Viele Russen fürchten, dass für ihr Team das „WM-Endspiel“ dort bereits am Sonntag stattfindet. „Lasst es uns würdig beenden“, meint „Sport-Express“ - „und falls es geht, nicht schon am Sonntag. Die WM ist so schön.“
Spanien könnte beim Sieg auf dem weiteren Turnierweg - theoretisch - auf Dänemark und Schweden treffen. Auf einen entsprechenden Hinweis reagiert Thiago spöttisch: „Und das Finale dann gegen Japan, was?“