Judo-Meisterin will als Pilotin hoch hinaus

Osnabrück (dpa) - Wer erfolgreich sein will, muss Disziplin mitbringen - und das bedeutet auch für die deutsche Judo-Meisterin Jana Stucke jeden Tag einen Kampf gegen die eigene Trägheit.

„Wenn der Wecker um 4.45 Uhr klingelt, würde ich ihn gelegentlich am liebsten ausprügeln“, gesteht die Hannoveranerin, die im sechsten Semester Luftfahrzeugtechnik und Flugingenieurwesen (AFE) studiert.

2009 zog sie aus der Landeshauptstadt nach Osnabrück. Das war nötig, um ihrem Traum, Pilotin zu werden, und ihrer großen Liebe, dem Judosport, gleichermaßen gerecht zu werden. Denn in Osnabrück wird laut Initiator Prof. Bernd Hamacher der bundesweit einzige Studiengang angeboten, der Ingenieurstudium und Pilotenausbildung kombiniert.

Judo-Landestrainer Jürgen Füchtmeyer aus Osnabrück hatte seine Sportlerin auf AFE aufmerksam gemacht. Jana schloss sich dem ansässigen Verein „Judo Crocodiles“ an. Bei einer klassischen Pilotenausbildung hätte sie beim Judo Abstriche machen müssen. Das sei keine Option gewesen, sagt die 23-Jährige. Sie lebt für ihren Sport.

Judo fasziniert sie seit ihrer Kindheit. Einst war sie im Kindergarten verprügelt worden. Ihr Vater empfahl, einen Kampfsport zu erlernen, um sich besser verteidigen zu können. Also ging die Sechsjährige zum Judo-Training. Schon in der Jugend feierte die Athletin des Garbsener SC große Erfolge.

Heute trainiert sie in der Vorlesungszeit zehnmal pro Woche. Zusätzlich zum abendlichen Teamtraining geht sie morgens eine Stunde joggen, notfalls mit Stirnlampe um fünf Uhr vor dem ersten Seminar um acht. Richtig anstrengend wird es, wenn Wettkämpfe und Klausuren zusammenfallen. Trainings- und Lernumfänge werden erhöht, zugleich muss die Sportlerin abnehmen, um ihr Kampfgewicht von 78 Kilogramm zu erreichen.

Eine Klausur direkt vor den deutschen Meisterschaften bestritt sie, ohne richtig getrunken und gegessen zu haben. Der Wettkampf lief trotzdem glänzend für Jana. „Ich war vor dem Finale mit meinen Gedanken noch bei der Klausur des Vortags. Es wurde dann mein bester Kampf.“

Lange freuen konnte sie sich nicht, denn die nächsten Klausuren warteten. Doch die Professoren kommen der Bachelor-Studentin entgegen, wenn mal ein Praktikum oder eine Prüfung verschoben werden muss. Sie zahlt den Vertrauensvorschuss mit guten Leistungen zurück.

Der Studiengang existiert seit zehn Jahren. Das Ziel ist die Ausbildung von Piloten, die gleichzeitig qualifizierte Luft- und Raumfahrtingenieure sind und so auch an der Schnittstelle beider Berufe arbeiten können, erklärt der Initiator. Das Studium ist hart, die Abbrecherquote hoch. Die 19 Studenten werden intensiv betreut. „Wir führen mit jedem regelmäßig Zielvereinbarungsgespräche“, verdeutlicht Prof. Hamacher. Von den 70 Absolventen sind 40 als Ingenieure in der Luftfahrtindustrie und 30 als Piloten tätig.

Auch Jana möchte später als Pilotin für eine Fluggesellschaft arbeiten. „Das Fliegen vermittelt mir ein Gefühl von Freiheit“, sagt die 23-Jährige. Das langsame Abheben der Maschine in der Startphase und die Übersicht in der Luft seien faszinierend. Das Vertrauen in die Maschine gerade beim Kurvenflug habe sie sich erst erarbeiten müssen. „Bei meiner ersten Flugstunde ist mir richtig schlecht geworden. Ich bin eigentlich ein ganz schöner Angsthase.“

Sie hofft, im Herbst ihren Flugschein bestanden zu haben. Danach will sie für ein einjähriges Auslandsstudium nach Großbritannien. Trotz der erwartbar guten Trainingsbedingungen wird das eine Bewährungsprobe. Denn die junge Frau will ihr Ziel, Medaillen bei internationalen Wettkämpfen zu gewinnen, nicht aus den Augen verlieren. „Jana bringt für den Sport alles mit, sie ist zielorientiert und intelligent. Wenn sie gesund bleibt, kann sie sich für die Olympischen Spiele 2016 qualifizieren“, meint Landestrainer Füchtmeyer. Aus Verletzungsgründen konnte sie sich nicht für Olympia 2012 in London qualifizieren.