Coe Favorit um Nachfolge für IAAF-Präsiden Diack

Moskau (dpa) - Das Rennen um eines der höchsten Ämter im Weltsport ist eröffnet. Beim 49. Kongress des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF) in Moskau steht kein wirklich kniffliges Thema auf der Tagesordnung.

Dafür wird in den Gängen des noblen Tagungshotels bereits um das Erbe von Präsident Lamine Diack gerangelt. Der 80-jährige Senegalese, seit 14 Jahren an der IAAF-Spitze, kandidiert 2015 nicht mehr. In den beiden früheren Weltklasseathleten Sebastian Coe und Sergej Bubka gibt es zwei potenzielle Nachfolger. Bei der Neubesetzung des Prestige-Jobs will Diack allerdings nicht nur ein Wort mitreden, sondern für klare Verhältnisse sorgen.

„Ich bin noch nicht bereit, anzukündigen, wen ich als meinen Nachfolger vorschlagen werde“, erklärte Diack. „Ich werde es zu einem späteren Zeitpunkt tun. Es hat in der IAAF eine lange Tradition, dass es einen unstrittigen Präsidentschaftskandidaten bei der Wahl gibt.“ Für den deutschen Leichtathletik-Präsidenten Clemens Prokop ist dieses Selbstverständnis fragwürdig. „Machtpolitisch ist es möglich, demokratisch weniger“, meinte er.

Als Nachfolge-Favorit gilt der britische Lord Coe (56), der gelobte Organisator der Olympischen Spiele 2012 in London. Ungewiss ist dagegen, ob eine Niederlage von Sergej Bubka (49) bei der Wahl zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am 10. September der Stabhochsprung-Legende schaden könnte. Der Ukrainer ist einer von sechs Bewerbern um die Nachfolge von Jacques Rogge. „Es ist wahr, dass Sebastian die Sommerspiele ausgezeichnet organisiert hat. Wahr ist auch, dass Sergej bei der IOC-Wahl antritt“, meinte Diack diplomatisch.

Eine Niederlage von Bubka bei der IOC-Chefwahl wäre nach Ansicht des deutschen IAAF-Councilmitglieds Helmut Digel keineswegs ein Nachteil für den 35-fachen Weltrekordler, wenn er danach auch einen Anlauf auf das Spitzenamt des Weltverbandes nehmen würde. „Bubka hat die IOC-Kandidatur als einen cleveren Schachzug gewählt“, meinte der Tübinger Sportsoziologe. „Da gibt es ein taktisches Element: Wenn jemand unter den letzten Sechs im IOC ist, ist er automatisch auch woanders für höhere Ämter prädestiniert.“ Wer die jungen ehrgeizigen Männer kenne, wisse, „dass sie nichts dem Zufall überlassen“.

Dies tut auch Sebastian Coe nicht, der nach den London-Spielen bereits zum Präsidenten des britischen Nationalen Olympischen Komitees gewählt wurde und als IAAF-Präsident automatisch auch in das IOC einziehen würde. Schon vor Beginn der Sommerspiele hatte er seine Bereitschaft zu einer IAAF-Kandidatur offen bekannt. „2015 fällt die Entscheidung und ich bin natürlich aufgeregt, dann meine Rolle dabei zu spielen“, sagte Coe, der 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles Olympiasieger über 1500 Meter wurde.

Der smarte Brite will aber nichts von einem Zweikampf um den IAAF-Chefsessel mit Bubka wissen. „Wir sind nicht nur zwei Leute, die fähig sind, um das Topamt zu kämpfen. Das IAAF-Council ist voll von talentierten Leuten.“ Sergej Bubka sei ein „guter Freund“ und man habe gemeinsam viele Jahre versucht zu helfen, den Sport zu verbessern. „Ich bin sicher, wenn es soweit ist, werden wir herausfinden, wie es laufen wird“, erklärte Coe zurückhaltend.

In den kommenden zwei Jahren wird Diack, der 1999 durch den Tod des Italieners Primo Nebiolo an die Spitze des Weltverbandes rückte, weiter die Geschicke bestimmen. „Ein wesentliches Element seines Erbes wird sein, dass er einen gesunden Verband hinterlasse“, sagte Digel zur bisherigen Ära des Afrikaners, unter dessen Ägide die IAAF aktuell 50 Millionen Dollar an Rücklagen gebildet hat.

Außerdem habe Diack die Kluft in der Leichtathletik verkleinert. „Da hat es wesentliche Fortschritte gegeben. Das ist ein Erfolg für die Afrikaner und Südamerikaner über den sich die Europäer aber nicht so freuen“, resümierte Digel. Es gebe aber auch noch viel Handlungsbedarf bei der Gestaltung der IAAF-Wettkämpfe und im Anti-Doping-Kampf. „Das Doping-Problem ist noch nicht ausreichend gelöst“, so Digel.