Nationalmannschaft im EM-Quartier am Lago Maggiore eingetroffen
Der Kampf um die Plätze beginnt. Bundestrainer Löw: "Es gibt noch Fragezeichen." Drei Positionen sind wohl noch offen.
Ascona. Die Sonne lachte vom Himmel, als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am frühen Dienstagnachmittag ihr luxuriöses EM-Quartier im schweizerischen Tessin bezog.
Doch kaum im noblen Fünf-Sterne-Hotel "Il Giardino" angekommen, begann für Michael Ballack und Co. schon der Ernst des Lebens. Fünf Tage vor dem Auftaktspiel bei der Europameisterschaft (7. bis 29. Juni) in Klagenfurt gegen Polen hat Bundestrainer Joachim Löw noch einmal den Druck auf seine 23 Spieler im Kampf um die 11 Plätze erhöht.
Noch drei Positionen sind derzeit vakant - jeweils eine in Abwehr, Mittelfeld und Angriff. Dagegen sind die Diskussionen um Torwart Jens Lehmann nach dem 2:1 gegen Serbien am vergangenen Samstag erst einmal verstummt.
"Es gibt noch das ein oder andere Fragezeichen. Wir haben einige Möglichkeiten, zu variieren. Es werden auf jeden Fall die Trainingsleistungen eine wichtige Rolle spielen. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen", sagte Löw, der die Spannung bis zum EM-Ernstfall am Sonntag (20.45 Uhr/live im ZDF) in den anstehenden Einheiten im schweizerischen Jugend-Sportzentrum in Tenero hoch halten will.
Alle 23 Spieler des deutschen EM-Kaders sind auf jeden Fall fit, um zu spielen. In der Abwehr steht vor allem Christoph Metzelder unter genauer Beoabachtung des Trainerteams.
Dem Abwehrspieler von Real Madrid war zuletzt die fehlende Spielpraxis nach monatelanger Fußverletzung deutlich anzumerken. Alternativen zu Metzelder ("Ich war bei den Turnieren immer eine feste Größe") in der Innenverteidigung neben dem gesetzten Per Mertesacker wären der Berliner Arne Friedrich, der schon gegen Serbien eine solide Leistung bot, oder der Schalker Heiko Westermann.
Auf den Außenpositionen der Viererkette sind Philipp Lahm und Marcell Jansen erste Wahl. Im Mittelfeld herrscht nach dem Ausfall von Routinier Bernd Schneider auf der rechten Seite ein Vakuum. Clemens Fritz hatte gegen Serbien eine Halbzeit lang seine liebe Müh und Not. Deshalb liebäugelt Löw bereits mit dem Experiment, Lukas Podolski wie 45 Minuten gegen die Serben vom Angriff ins linke Mittelfeld zu beordern und dafür Bastian Schweinsteiger, der seinen Platz sicher hat, nach rechts zu ziehen.
"Das ist eine überlegenswerte Variante. Lukas hat mir auf dieser Position gut gefallen, er macht viel Druck. Überhaupt hinterlässt er einen sehr guten Eindruck", erklärte der Bundestrainer.
Keine Zweifel gibt es an der zentralen Schaltstelle des deutschen Spiels: Dort sind Torsten Frings und vor allem Kapitän Michael Ballack unersetzlich. Bleibt der deutsche Angriff: Dort ist Miroslav Klose trotz seiner durchwachsenen Rückrunde bei Bayern München gesetzt.
Gegen Serbien wurde der WM-Torschützenkönig von 2006 wegen leichter Probleme am Sprunggelenk geschont. Von der Ersatzkandidaten Mario Gomez und Kevin Kuranyi konnte sich jedoch keiner entscheidend in den Vordergrund drängen. Nur Oliver Neuville sammelte als Torschütze Pluspunkte. Dem 35 Jahre alten Routinier von Gladbach bleibt aber dennoch nur die Jokerrolle.
Die Sturmbesetzung ist auch davon abhängig, ob Löw seinen WM-Angriff mit Klose und Podolski sprengt, um den Münchner ins Mittelfeld zu stellen. Dann hat der Stuttgarter Gomez im Rennen um den zweiten Platz die besten Aussichten. Löw will in den anstehenden Trainingseinheiten bis Sonntag auf jeden Fall genau hinsehen, wer den besten Eindruck hinterlässt.
Auf eins hat er sich unabhängig von seinen Personalentscheidungen bereits festgelegt: "Systemänderungen wird es nicht geben, die Basis bleibt das 4-4-2." Grundsätzlich will er noch am Feinschliff arbeiten, `damit wir im Spiel vermehrt aufs Tempo drücken können. Es gibt noch Verbesserungsmöglichkeiten im Spielverständnis und in der Abstimmung", sagte der DFB-Coach, der sich sicher ist, "dass wir das auch noch schaffen. Ich habe das Gefühl, dass alle Spieler auf den Punkt genau topfit sind."
Schwerpunkte der Trainingsarbeit werden laut Löw "auf Abwehr-, Angriff- und Gruppenverhalten" liegen: "Wir werden uns auch per Videoanalyse auf die Polen vorbereiten. Auch die Standards werden ein Thema sein, vor allem die Freistöße von der Seite und Eckbälle."
Den Flug von Frankfurt nach Lugano hatten am Dienstag nur 22 Spieler des 23-köpfigen EM-Kaders angetreten. Neuville erwartete seine Kollegen bereits am Lago Maggiore, wo er aufgewachsen ist und 18 Jahre lang lebte. Neuville nutzte die freien Tage seit Samstag, um seinen Familienangehörigen einen Besuch abzustatten.