Trotz Springreiter-Frust: „sehr positive Gesamtbilanz“
Caen (dpa) - Der beste deutsche Springreiter war am Ende der WM auch der traurigste. Daniel Deußer kämpfte mit den Tränen, nachdem er wegen eines Fehlers das Finale verpasst hatte. In der letzten Ecke des Abreiteplatzes fluchte der 33-Jährige ganz leise: „So ein Scheiß!
“
Kurz danach packte Deußer seine Sachen und war schon eine Nacht zu Hause, als die vier Finalisten sich am Sonntag für den Höhepunkt der WM fertig machten. Nach seinem Patzer fiel die Veredelung der deutschen WM-Bilanz durch die Springreiter endgültig aus. Doch auch ohne ihr Edelmetall war die Ausbeute der Deutsche Reiterlichen Vereinigung (FN) in der Normandie dank der Dressurreiterinnen und der Vielseitigkeitsreiter ergiebiger als vor vier Jahren in den USA.
Das tröstete Deußer kaum. „So wie die letzte Zeit lief, hätte ich mit einer Medaille gerechnet“, gab er zu. Doch der in Belgien lebende deutsche Meister hatte seine blendende Ausgangsposition für das WM-Finale nicht genutzt, weil er in der zweiten Runde mit Cornet D'Amour einen Abwurf kassierte. Er fiel dadurch von Rang vier auf sechs zurück: Das Finale fand ohne ihn statt.
„Es ist sicher keine Katastrophe, Sechster zu werden“, sagte Deußer. „Aber es ist jetzt erstmal super enttäuschend.“ Die verpasste Qualifikation für das Einzel-Finale erinnerte ihn „ein bisschen an die Mannschaftswertung“. Auch am Donnerstag hatten es die deutschen Springreiter selber in der Hand und patzten.
„Vielleicht hätte ich noch vorsichtiger anreiten müssen“, sagte Deußer zu seinem entscheidenden Fehler am Samstag. Der Jüngste der deutschen Mannschaft bemühte sich, auch das Positive zu betonen: „Wir hatten ein super Team hier, aber die Woche war einfach unglücklich.“
Ludger Beerbaum, der Deußer vergeblich die Daumen drückte, sagte: „Der Sport war sensationell, das Niveau fast beängstigend. Schade, dass keiner von uns im Finale ist. Es war ja keiner richtig schlecht.“ Frustration war auch beim Bundestrainer zu spüren. „Es war wieder knapp, das ist ärgerlich“, sagte Otto Becker: „Es ist genauso bitter wie bei der Mannschaft. Wir stehen ganz mit leeren Händen da.“
Trotz der verpassten Medaillen im Springreiten zog die Deutsche Reiterlichen Vereinigung eine „sehr positive Gesamtbilanz“ der WM in der Normandie. „Wir sind in den olympischen Disziplinen die erfolgreichste Nation“, sagte FN-Sportchef Dennis Peiler am Sonntag. Drei goldene, drei silberne und eine bronzene Medaillen gewann kein anderer Verband in Frankreich. „Außerdem haben alle drei Mannschaften sich für Rio qualifiziert und unser Para-Team auch“, betonte Peiler. Die FN-Starter holten in Frankreich mehr Medaillen als vor vier Jahren in den USA, verpassten aber erneut Platz eins der Gesamtwertung.
„Es ist sicher so, dass es zum Schluss eine Enttäuschung ist“, sagte Peiler zum Finale der Springreiter. „Es ist bitter, wenn man trotz des hohen Leistungsniveaus am Ende leer ausgeht“, kommentierte der FN-Sportchef: „Das spiegelt das Niveau unserer Reiter nicht wider.“ Das sei „ein Wermutstropfen“.
Es gab noch einen: Einige Fans hatte der Startverzicht von Beerbaum und Christian Ahlmann am Samstag schwer enttäuscht. Auf einem selbst gemalten Plakat im Stadion stand: „Ahlmann und Beerbaum - wo seid ihr?“
Beerbaum besaß als 30. des Klassements keine Möglichkeit mehr, sich für das Finale zu qualifizieren, aber Ahlmann hätte als Zehnter gute Chancen gehabt, noch in die Entscheidung einzugreifen. Mit zwei Nullrunden hätte der 39-Jährige die Endrunde erreicht.
Ahlmann will jedoch mit Codex one in einer Woche im kanadischen Spruce Meadows reiten. Gewinnt der Sieger des Großen Preises von Aachen auch dort den mit einer Million Euro dotierten Großen Preis, kassiert er zusätzlich eine halbe Million Euro Prämie aus der Grand-Slam-Wertung. „Das ist sicher auch ein Aspekt“, sagte Bundestrainer Becker: „Die Entscheidung ist zu vertreten.“