Biathletin Laura Dahlmeier: „Ich muss den richtigen Weg finden“

Biathletin Laura Dahlmeier über Expeditionen, den Rummel um ihre Person und das Ziel Olympia in Pyeongchang.

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Hochfilzen. Wegen eines Infektes hat Laura Dahlmeier den Saisonauftakt in Östersund verpasst. Am Freitag landete die 24-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen im Sprint von Hochfilzen auf dem 16. Platz. An jener Stätte, wo sie im Februar mit fünf WM-Titel Biathlongeschichte geschrieben hat.

Frau Dahlmeier, mal ehrlich: Wie oft denken Sie am Berg an Biathlon?

Laura Dahlmeier: Selten.

Diesen Sommer haben Sie in Peru unter anderen den 5947 Meter hohen Alpamayo bestiegen, der als der schönste Berg der Welt gilt. Stimmt das?

Dahlmeier: Er ist schon sehr schön. Seine Form, seine Wahnsinnslinie für die Schwierigkeit — eine geile Kletterei.

Was löst es in Ihnen aus, wenn Sie in den Bergen sind?

Dahlmeier: Ein unheimlich schönes Gefühl. Freiheit. Keine Vorschriften. Und es ist ein tolles Gefühl, ganz oben zu stehen und seine Ziele so verwirklichen zu können.

Wie im Biathlon.

Dahlmeier: Genau.

Sehen Sie es als Scheitern, nicht oben anzukommen?

Dahlmeier: Die Öffentlichkeit sieht es immer so, wenn man den Gipfel nicht erreicht. Eine Expedition ist aber was anderes als eine Wanderung auf den Hausberg, die man mal schnell am Wochenende macht. Es gehört unheimlich viel dazu, dass man oben ankommt. Da müssen einige Faktoren passen. Für mich persönlich ist ein Scheitern am Berg, wenn man nicht lebend zurückkommt. Aber wenn man zur rechten Zeit umkehrt und die richtigen Schlüsse zieht, ist das für mich eine kluge Entscheidung.

Wenn Sie im Sommer an den Winter gedacht haben, wie oft haben Sie sich gekniffen?

Dahlmeier: Es war ein Traumwinter, besser geht es einfach nicht. Die Zeit bei der WM in Hochfilzen war wie ein kleines Wintermärchen. Das verfolgt einen dann aber auch länger, weil man immer wieder darauf angesprochen wird. Das macht es schwieriger, den Fokus auf die neue Saison zu richten — und die fängt bei Null an.

Wie fertig hat Sie die WM denn gemacht?

Dahlmeier: Die Saison habe ich ziemlich durchgeballert bis zum letzten Wettkampf, weil es ja auch noch um verschiedene Weltcup-Kugeln ging. Ich bin echt mega happy, dass es mit dem Gesamtweltcup hingehauen hat und dachte, das passt. Aber als ich im April dann Urlaub hatte, habe ich schon gemerkt, dass es eine kräftezehrende Saison war.

Auch, weil der Rummel immens geworden ist?

Dahlmeier: Also der Satz „Laura kannst du bitte mal schnell“ ist wirklich brutal. Den höre ich sehr, sehr oft — und da muss ich auch knallhart sein und sagen: „Nein, ich kann jetzt nicht mal schnell.“ Wenn das 60 Leute sagen, ist das auch eine Stunde, und die fehlt dann einfach. Die Aufmerksamkeit ist eine Ehre. Ich habe viele Einladungen, es gibt Anfragen von Sponsoren, aber den Alltag macht es nicht unbedingt leichter.

Klingeln die Fans an Ihrer Haustüre wie bei Magdalena Neuner?

Dahlmeier: Zum Glück nicht. Und darüber bin ich sehr froh. Es ist sehr wichtig, sich eine Privatsphäre aufrechtzuerhalten.

Fühlen Sie sich mitunter wie ein Stück Allgemeingut?

Dahlmeier: Ja, das muss ich schon sagen. Manche Leute sind extrem zurückhaltend, andere nehmen einen sofort in den Arm. Das ist schon schwierig für mich persönlich, eine Grenze zu ziehen.

Ohne Vorbereitung sind Sie in dieser Rolle gelandet. Wer hilft Ihnen?

Dahlmeier: Es ist schon so. Ich bin Biathletin geworden, weil ich den Sport toll finde. Aber sicher nicht, weil dann Fans an meiner Haustüre klingeln. Aber ich entwickle mich durch jede Situation weiter. Klar habe ich Berater an meiner Seite, aber es ist trotzdem eine sehr individuelle Geschichte, denn es ist nicht jeder Mensch gleich. Da muss ich für mich den richtigen Weg finden.

Wie bewahren Sie sich dennoch Ihre Lockerheit?

Dahlmeier: Ich versuche, ich selber zu sein. Ich bin, wie ich bin. Das Wichtigste ist, dass ich das nach wie vor sein darf.

Und wie gehen Sie mit dem enormen Erwartungsdruck um?

Dahlmeier: Auf der einen Seite weiß ich, dass unser Training aufgeht. Das, was wir machen, passt. Das beflügelt auch. Auf der anderen Seite ist es ein Ballast, weil das gesamte Umfeld viel, viel mehr erwartet.

Ist Olympia in Pyeongchang nach der Erfolgs-WM wie ein hoher Berg?

Dahlmeier: Mein Ziel ist ganz klar Olympia. Dorthin geht der Formaufbau, das ist mit den Trainern so besprochen. Ich weiß nicht, wie das die internationale Konkurrenz macht, aber für mich ist alles andere nur Zugabe.

Mit welcher Medaillenausbeute wären Sie in Südkorea denn zufrieden?

Dahlmeier: Eine goldene.

Im Einzel?

Dahlmeier: Das wäre mir das Liebste.

Nur eine?

Dahlmeier: Da möchte ich mich nicht festlegen. Eine starke Konkurrentin dürfte Darja Domratschewa sein.

Haben Sie mal Kontakt zu ihr gehabt?

Dahlmeier: Wir haben uns zufällig auf Mallorca beim Rennradfahren auf einem Pass getroffen. Plötzlich sagte jemand „Hi“. Ich habe mich umgedreht, und es waren keine Fans, sondern Ole Einar Björndalen und Dascha. Sie waren auch beim Rennradfahren. Es war total lustig, weil sie die gleiche Runde wie wir gemacht haben. Wir haben uns kurz unterhalten.

Begegnen Ihnen Ihre Mannschaftskameradinnen inzwischen anders?

Dahlmeier: Wenn ich aussteige, liegt der Rote Teppich vor dem Auto (lacht). Nein, ich bin immer noch der gleiche Mensch. Es sind von außen vielleicht ein paar Dinge, die sich verändert haben, weil sich schon relativ viel um mich dreht. Das merken die anderen in einer gewissen Art und Weise auch. Aber innerhalb der Mannschaft gehen wir genauso miteinander um wie in den vergangenen Jahren.