Freund vor Medaillenkampf ganz gelassen
Oslo (dpa) - Vor dem aufregendsten Wettkampf seiner Karriere bleibt sich Severin Freund treu. Ruhig und bescheiden gibt sich Deutschlands neuer Skisprungstar vor seiner WM-Premiere am berühmten Holmenkollen.
Der introvertierte 22-Jährige bevorzugt die leisen Töne, flotte Sprüche oder lautstarke Kampfansagen an die Konkurrenz sind von ihm nicht zu vernehmen. „Favorit bin ich keiner, eher ein gefährlicher Außenseiter. In der Position gefällt es mir“, sagt Freund vor der WM-Entscheidung auf der Normalschanze am 26. Februar.
Mit seinen zwei Weltcupsiegen in Sapporo und Willingen hat er bei den Fans und seinen Teamkollegen eine neue Euphorie entfacht. In der Öffentlichkeit gilt er als der große Hoffnungsträger, der das deutsche Skispringen aus dem Mittelmaß herausholen soll. Möglichst schon bei der WM in Oslo, wo eine Medaille das Minimalziel ist. „Er ist einer der Gefährlichsten, der mit einem Sprung alle zum Nachdenken bringen kann. Von dieser Sorte möchte ich einige Sprünge sehen“, äußert Bundestrainer Werner Schuster seinen WM-Wunsch.
Freund weiß um die hohe Erwartungshaltung, die er mit seinem überraschenden Aufstieg in die Weltspitze selbst befeuert hat. „Natürlich hat der Trubel zugenommen. Aber wir müssen hier genauso springen wie bei jedem Weltcup“, erklärt der Bayer.
Er wirkt dabei fast ein bisschen schüchtern, auf jeden Fall voll konzentriert. Die Show überlässt er lieber anderen. „Er repräsentiert einen anderen Typus als man es von den Popstars gewohnt war, das ist zu respektieren und tut auch unserer Sportart gut“, sagt Schuster über seine Nummer 1.
Sorgen, Freund könne angesichts des gestiegenen Interesses an seiner Person den Blick für das Wesentliche verlieren, macht er sich nicht. „Wenn er einer von denen werden will, die länger Aufmerksamkeit genießen wollen, muss er den Rummel auch aushalten. Im Moment macht er es überlegt und souverän“, lobt der Chefcoach.
Schuster hofft, dass Freund seine Unbeschwertheit auch im Wettkampf behält. „Dann hat er immer die Chance, ganz vorne mitzuspringen.“ Das weiß auch Freund, doch als Selbstverständlichkeit sieht er Top-Platzierungen längst noch nicht an. „Es ist auch im Kopf ein Schritt vorwärts, wenn man weiß, man kann ganz oben stehen. Aber man muss sich das jeden Tag neu verdienen“, sagt er.
Vor der Saison lautete sein WM-Motto „Dabei sein ist alles“. Das gilt zwar immer noch, aber die Ziele sind nach dem Höhenflug in diesem Winter doch etwas höhergesteckt. „Ich habe deutlich gemacht, dass ich mich da oben breitmachen will. Wenn alles passt, kann einiges passieren“, erklärt Freund. Er relativiert dann - fast ein wenig erschrocken - ganz schnell: „Ich denke aber nicht darüber nach, was passieren könnte. Um am Tag X vorne zu sein, müssen 100 Faktoren stimmen, von denen ich nicht alle beeinflussen kann.“