Analyse: Nordrhein-Westfalen ist wieder SPD-Land
Düsseldorf (dpa) - Die Wähler haben die politische Uhr in Nordrhein-Westfalen ein gutes Stück zurückgestellt. Die Sozialdemokraten sind durch die vorgezogene Landtagswahl wieder das, was sie an Rhein und Ruhr jahrzehntelang waren: stärkste Partei mit klarem Vorsprung vor der CDU.
„Ein so tolles Gefühl“ sei das, rief Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ihren jubelnden Anhängern zu. Nach zwölf Jahren ist Nordrhein-Westfalen wieder klar SPD-Land, die CDU liegt am Boden.
Zu verdanken haben die Genossen das Comeback vor allem ihrer Frontfrau. Für die Ministerpräsidentin hat sich das Experiment Minderheitsregierung gelohnt. Kraft haben zwei Jahre gereicht, um sich das Image einer „Kümmerin“ zu erwerben. An den Wahlurnen konnte sie ihren haushohen Popularitätsvorsprung vor CDU-Herausforderer Norbert Röttgen in Stimmen für die SPD umsetzen. Fast an die 40-Prozent-Marke, das hatten auch kühnste Optimisten bei den Sozialdemokraten kaum erwartet.
Kraft hat auch gezeigt, dass die SPD aus einer rot-grünen Koalition heraus bei der Wahl zulegen kann. Krafts SPD-Vorgänger in NRW, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück, hatten als rot-grüne Ministerpräsidenten Verluste eingefahren. Und auch in anderen Bundesländern ist das den Sozialdemokraten schon lange nicht mehr gelungen.
Entscheidend für den SPD-Wahlsieg dürfte auch gewesen sein, dass Kraft die alte Achse zu den Gewerkschaften repariert hat. Sie holte ihren Arbeitsminister aus der Gewerkschaft, führte ein Tariftreuegesetz ein und weitete die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst aus. Die Wähler hätten den „arbeitnehmerfreundlichen Kurs“ von Rot-Grün honoriert, interpretierte der DGB das Wahlergebnis. Leidtragende ist die Linke, die nach nur zwei Jahren aus dem Parlament geflogen ist.
Mit dem Erfolg von SPD und Grünen hat sich Nordrhein-Westfalen weiter zum rot-grünen Kernland der Republik entwickelt. Zwölf Jahre hatten SPD und Grüne bislang gemeinsam in Düsseldorf regiert - so lange wie in keinem anderen Bundesland. Fünf weitere Jahre können jetzt hinzukommen. Die Düsseldorfer Verhältnisse, als Rot-Grün in der Minderheitsregierung um Unterstützung durch die Opposition werben musste, sind passé.
Geradezu katastrophal ist die Wahl für die CDU ausgegangen. Spitzenkandidat Norbert Röttgen hat das historisch schlechteste CDU-Ergebnis bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eingefahren - weit unter der 30-Prozent-Marke. Röttgens Rücktritt als Landeschef war unvermeidlich.
Der Bundesumweltminister konnte im Wahlkampf seine eigenen Leute kaum begeistern, verweigerte Auskunft auf die Frage, ob er die Rückfahrkarte nach Berlin in der Tasche habe und fand keine Antwort auf FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner, der ungeniert bei den CDU-Wählern wilderte. Die CDU sitzt weiter neben den Liberalen auf der Oppositionsbank, und hat in Lindner einen publikumswirksamen Konkurrenten neben sich.
Aufatmen dagegen bei den Grünen. Kraft war vor zwei Jahren erst auf Drängen der Grünen das Risiko Minderheitsregierung eingegangen. „Jede Kraft braucht einen Antrieb“, plakatierten die Grünen deshalb im Wahlkampf. An den Urnen ist Kraft ihren Antreibern deutlich enteilt, allerdings nicht zu deren Lasten. Die Grünen konnten den Angriff der Piraten abwehren und mit einem nach den Hochrechnungen nur minimal schlechteren Ergebnis als 2010 Platz drei im Düsseldorfer Landtag verteidigen.
Für die Piraten ist NRW dennoch ein Durchbruch. Parallelen zeichnen sich zu den Grünen ab. Sie hatten sich endgültig etabliert, als sie 1990 zum ersten Mal in Düsseldorf den Einzug in den Landtag geschafft hatten.