Analyse: Wahlkampf mit Schlecker-Frauen

Berlin (dpa) - Die Hoffnung auf eine Auffanglösung für 11 000 Schlecker-Beschäftigte ist geplatzt - und die FDP steht bei vielen als Buhmann und Blockierer da.

Bis zuletzt hatte Baden-Württemberg unter Federführung seines Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) um eine Lösung gerungen. Am Ende kamen aber die Garantien der Länder für einen 70-Millionen-Kredit nicht zusammen. Die Liberalen in Bund und Ländern hatten sich strikt gegen eine Transfergesellschaft positioniert. Zuletzt kam die Absage vom CSU/FDP-regierten Bayern, weil sich auch hier die Liberalen querlegten.

Sofort droschen insbesondere SPD und Grüne auf die FDP ein. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) zürnte nach einem Treffen der Länder-Regierungschefs in Berlin: „Das ist ein Skandal der deutschen Politik.“ Sein baden-württembergischer Amtskollege von den Grünen, Winfried Kretschmann, meinte, die Bevölkerung werde nicht verstehen, dass für die Euro-Rettung Milliarden bewegt würden, die Frauen von Schlecker jetzt aber leer ausgingen. Er mutmaßte: „Wem das Wasser bis zum Hals steht, der neigt zu höchst irrationalen Taten. ... Das wird der FDP sicher nicht nützen. Aber ich denke, sie spekuliert darauf, dass sie jetzt bei marktradikalen Kräften dadurch wieder Boden gewinnt.“

Doch so ganz irrational dürfte das von der FDP nicht gewesen sein. Sicherlich kann man, so heißt es immer wieder, Schlecker und Opel nicht vergleichen. Aber damals war es zum Beispiel der CSU-Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich als einziger im schwarz-roten Kabinett unter großem Beifall auch aus den eigenen Reihen gegen Staatshilfen für das angeschlagene Unternehmen wandte. Und schließlich war es Rainer Brüderle, der nach dem Wechsel von Schwarz-Rot zu Schwarz-Gelb als FDP-Wirtschaftsminister Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Abfuhr erteilte, als diese immer noch dem in amerikanischer Hand befindlichen Autobauer Hilfen zukommen lassen wollte.

Brüderle dürfte auch dieses Mal treibende Kraft gewesen sein, wenn aus der FDP-Zentrale in Berlin die Losung ausgegeben wurde, dass den Frauen zwar geholfen werden müsse - aber über die Bundesagentur für Arbeit und nicht über eine von staatlicher Seite gestützte Auffanggesellschaft. Im Grunde genommen haben die Liberalen gar keine andere Möglichkeit, als auch hier die reine Ordnungspolitik zu vertreten, wollen sie glaubwürdig bleiben. Ihr Argument damals wie heute: Wenn ein Unternehmen Not leidet wird es nach den Marktgesetzen irgendwann von anderen verdrängt, die dann im Zweifel erfolgreichere Ketten aufbauen und sicherere Arbeitsplätze schaffen. Für diese Position dürften sich nicht nur Marktradikale finden lassen.

Parteichef Philipp Rösler wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass gerade im Handel in den vergangenen Jahren 60 000 neue Stellen geschaffen worden seien und dass den betroffenen Schlecker-Frauen ohne weiteres über die Bundesagentur in Nürnberg geholfen werden könne. Bayerns FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger unterstreicht zugleich, es sei falsch, Arbeitsplätze durch den Staat zu erhalten, wenn sie keine Zukunft haben.

Dabei wird den Liberalen auch die Möglichkeit an die Hand gegeben zu zeigen, was sie unter Wahlkampf durch Abgrenzen verstehen. In Nordrhein-Westfalen, wo am 13. Mai Neuwahlen sind, dürfte dies auch relativ leicht fallen. Denn hier müssen die Liberalen auf keine Koalitionspartner Rücksicht nehmen. Der designierte FDP-Landeschef Christian Lindner hatte sich in der Debatte denn auch schnell zu Wort gemeldet. Man dürfe nicht mit Steuergeldern Arbeitsplätze in einer Transfergesellschaft garantieren. Wolfgang Kubicki, in dessen Bundesland Schleswig-Holstein am 6. Mai gewählt wird, muss da wohl etwas vorsichtiger argumentieren. Zumindest meinte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), ihm und auch Kubicki tue es sehr leid, dass keine Lösung der Länder zustande gekommen sei.

Angespannter ist ganz offensichtlich die Situation in der bayerischen CSU/FDP-Koalition, nachdem FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil die liberale Position durchgesetzt und letztlich eine Auffanglösung verhindert hat. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) war offensichtlich stinksauer, als er die bayerische Absage nach dem Treffen der Ministerpräsidenten in Berlin eingestehen musste. Auf die Frage, was denn nun mit der schwarz-gelben Koalition in seinem Bundesland geschehe, sagte er vieldeutig: „Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.“ Die Union bekommt einen Geschmack davon, wie es mit der FDP in den nächsten Wochen weitergehen dürfte. Viel Feind, viel Ehr, könnte man meinen. Aber ob die Rechnung der FDP aufgeht, wird sich zeigen.