Die Angeklagten und ihr Richter in Kurzporträts
München (dpa) - Fünf Angeklagte müssen sich im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) verantworten. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl und vier weitere Richter müssen über Schuld, Teilschuld oder Unschuld befinden.
DIE ANGEKLAGTEN
BEATE ZSCHÄPE: Die 38-Jährige tauchte 1998 gemeinsam mit Uwe
Mundlos und Uwe Böhnhardt unter, um einer drohenden Festnahme zu
entgehen. Die drei Neonazis aus dem thüringischen Jena gründeten eine
Terrorgruppe und nannten sich spätestens ab 2001
„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Zeugen beschreiben Zschäpe als gleichberechtigtes Mitglied; unter anderem soll sie das Geld verwaltet haben. Nach dem Tod ihrer Kumpane am 4. November 2011 setzte Zschäpe die gemeinsame Wohnung im sächsischen Zwickau in Brand und verschickte die Bekennervideos mit dem „Paulchen Panther“-Motiv. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft, mittlerweile in München - und schweigt.
RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige Thüringer NPD-Funktionär mit
Kontakten zur militanten Kameradschaftsszene soll Waffen für das Trio
organisiert haben. Der 38-Jährige wurde am 29. November 2011
verhaftet und sitzt in U-Haft. Nach Ansicht der Ermittler wusste er von den Verbrechen - er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
CARSTEN S.: Der 33-Jährige hat gestanden, den Untergetauchten eine
Pistole mit Schalldämpfer geliefert zu haben. Dabei handelt es sich
höchstwahrscheinlich um die „Ceska“, die bei den Morden verwendet
wurde. Er löste sich kurz darauf aus der Szene, lebte ab 2001 in
Nordrhein-Westfalen und legte nach seiner Verhaftung im Februar 2012
ein umfangreiches Geständnis ab. Ende Mai kam er wieder auf freien Fuß. Er ist wie Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
ANDRÉ E.: Der gelernte Maurer (33) war seit dem Untertauchen 1998 einer der wichtigsten Vertrauten des Trios und soll die mutmaßlichen Rechtsterroristen zusammen mit seiner Frau regelmäßig besucht haben. Die Ermittler hielten ihn zunächst für den Ersteller des Bekenner-Videos. Als Zweifel daran aufkamen, ordnete der Bundesgerichtshof im Juni seine Freilassung an. E. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.
HOLGER G.: Der 38-Jährige gehörte wie Wohlleben und die drei
Untergetauchten zur Jenaer Kameradschaft. Er zog 1997 nach
Niedersachsen um. G. spendete Geld, transportierte einmal eine Waffe
nach Zwickau und traf sich mehrfach mit dem Trio. Er überließ
Böhnhardt einen Ersatzführerschein sowie 2001 und 2011 seinen Pass.
Von Überfällen und Morden will er nichts gewusst haben. Nach der
Verhaftung im Januar 2012 kam er Ende Mai wieder auf freien Fuß. Auch
G. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.
DER VORSITZENDE RICHTER
MANFRED GÖTZL: Der 59-jährige Franke ist dafür bekannt, dass er sich strikt an Regeln hält. Er gilt als akribisch, fair und manchmal aufbrausend. Götzl hat Erfahrung mit spektakulären Fällen. 2005 verurteilte er den Mörder des Modezaren Rudolph Moshammer zu lebenslanger Haft. 2009 sorgt er mit einer lebenslangen Haftstrafe gegen den damals 90-jährigen Ex-Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber für Aufsehen. Zeugen hatten sich nur vage an die Vorgänge rund um das Massaker 1944 an italienischen Zivilisten erinnert; die Verteidigung hatte Freispruch verlangt. Götzls Entscheidungen hatten fast immer Bestand: In sieben Jahren als Vorsitzender des Schwurgerichts kassierte der Bundesgerichtshof nur ein einziges seiner Urteile. 2010 übernahm Götzl den Staatsschutzsenat am OLG. Er verhandelte gegen acht Helfer der „deutschen Sektion“ des Propagandanetzwerks „Globale Islamische Medienfront“. Vor dem NSU-Prozess steht er massiv unter Druck: Die Kritik an den Vorgaben seines Senats machen den Start für Götzl und seine vier Richterkollegen nicht gerade leichter.