Forscher: Zahl der Unwetter kann künftig zunehmen
Berlin (dpa) - Seit Tagen ergießen sich heftige Regenfälle über Deutschland. In Baden-Württemberg und Bayern ertrinken sogar Menschen. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz laufen Keller voll.
Experten rechnen mit mehr Starkregen in Zukunft.
Wie kommt es zu solchen Unwettern?
„Derzeit steht schon recht lange ein Tief über Deutschland“, sagt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Zugleich strömten kühle Luftmassen aus dem Norden und feuchtwarme Luft aus dem Süden ein. „Durch die Vermischung kommt es häufig zu Starkregen und Gewittern.“
Nehmen solche Unwetter aufgrund des Klimawandels zu?
„Global gesehen ja“, sagt Hoffmann. Er nennt zwei Gründe. „Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, dann fällt mehr Wasser runter, wenn es regnet“, erklärt der Forscher. „Global sieht man eine Zunahme von Extremniederschlägen bereits.“ Für Deutschland allein seien die Datenmengen noch zu gering, um dies zu beweisen.
Zudem bleiben Tiefdruckgebiete zunehmend länger über einzelnen Regionen stehen. Hoffmann: „Ihre Verlagerungsgeschwindigkeit verlangsamt sich.“ Das könne zu Extremwettern wie Überschwemmungen führen. Eine mögliche Ursache für die langsame Verlagerung etwa in Europa sei, dass sich die Arktis durch den Klimawandel wesentlich stärker erwärmt habe als südlichere Breiten, was zu schwächeren Westwinden führe.
Wie sieht es in Deutschland aus?
„Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat Hinweise darauf, dass solche Starkniederschläge häufiger werden, aber noch keine Beweise“, sagt DWD-Klimaexperte Andreas Becker. „Es gibt erst seit 15 Jahren die für diese Fragestellung benötigte homogene, flächendeckende und hoch-auflösende großflächige Radarbeobachtung aus dem Wetterradarverbund des DWD“. 15 Jahre seien aber klimatologisch zu kurz, um zu einer statistisch signifikanten Aussage zu kommen. „Nach Klimamodellen soll sich die Zahl solcher Tiefdruckgebiete wie derzeit über Mitteleuropa jedoch bis 2100 um 20 Prozent erhöhen“, erläutert Becker.
Warum sind die Starkregen so schwer vorherzusagen?
„Starkregen entstehen von Mai bis Oktober meist durch sogenannte Konvektion. Da verhält sich die feuchte Atmosphäre wie brodelndes Wasser, da kann man auch nicht vorhersagen, wo die Blase aufsteigt“, erläutert Becker. Bei einer Gewitterzelle könne man etwa 1 bis 1,5 Stunden vorher sagen, wo sie sich entwickelt und wohin sie zieht.
Wo liegt der Unterschied zwischen den aktuellen Unwettern und den Fluten von Elbe, Oder und Donau in den vergangenen Jahren?
Die Vorbedingungen waren andere, sagt Hoffmann. „Damals waren die Böden schon mit Wasser gesättigt.“ Das Niederschlagsgebiet war größer, zudem hätten sich die Luftmassen über Mittelgebirgen abgeregnet. Das aktuelle Tief liege nicht an Mittelgebirgen, es gebe daher eher punktuell starke Gewitter.
Kann es bei diesem Tiefdruckgebiet zu einer Flut wie 2013 kommen?
Es könne immer noch passieren, dass das aktuelle Tief sich in Richtung Osten verlagere und etwa über Böhmen ziehe, mahnt DWD-Experte Becker. „Dann haben wir eine gefährliche Lage wie 2013 mit Steigungsregen an den Hängen der Mittelgebirge und der Alpen.“ Die Böden in Süddeutschland und Teilen Nordrhein-Westfalens seien nun vielerorts schon nass und hätten nur noch geringe Aufnahmekapazitäten.
Was soll man tun bei Unwetter?
Viele Menschen flüchten sich vor Starkregen an tiefe Punkte wie Unterführungen. „Aber das können Fallen sein“, meint Becker. „Wenn das Wasser erstmal einläuft in Unterführungen oder Keller haben sie oftmals keine Chance. Das geht so schnell.“