Fragen & Antworten: Alles rund um den Kredithebel

Frankfurt/Main (dpa) - Seit Monaten treiben die Märkte die Politik vor sich her: Kaum ist ein Milliardenpaket zur Rettung klammer Euroländer geschnürt, wittern die Märkte neue Gefahren.

Die Angst vor einem Flächenbrand ist groß, doch die Bereitschaft sinkt, immer mehr frisches Geld in ein potenzielles Fass ohne Boden zu werfen. Nun macht ein neues Zauberwort die Runde: Kredithebel. Was steckt hinter der angeblichen Wunderwaffe? Hier einige Fragen und Antworten:

Was verbirgt sich hinter der erhofften Hebelwirkung?

An den Finanzmärkten steht die Hebelwirkung („Leverage Effect“) für die Hoffnung, mit geringen (eigenen) Mitteln eine große Wirkung zu erzielen. Vorbild für die „Hebel-Idee“ beim Euro-Rettungsfonds EFSF ist das Vorgehen des US-Finanzministeriums und der US-Notenbank Fed während der Finanzkrise 2008. Die Fed hatte ein Kreditprogramm mit einem Volumen von 200 Milliarden Dollar aufgelegt, die das Finanzministerium mit nur 20 Milliarden Dollar garantierte - so wurden die Mittel verzehnfacht.

Was würde dieses Modell für den Euro-Rettungsfonds bedeuten?

Der EFSF soll mit einem solchen Hebel versehen werden, um sein Ausleihvolumen um ein Vielfaches zu vergrößern. Die vielbeschworene „Feuerkraft“ könnte mit Hilfe der Europäischen Zentralbank (EZB) erzielt werden, die weiter Staatsanleihen kaufen würde. Diese wären nun aber mit Ausfallgarantien des Rettungsfonds unterlegt. Bei einer Garantie von 50 Prozent könnte die EZB bei gleichem eigenen Risiko doppelt so viele Staatsanleihen kaufen wie bisher. In diesem Fall würde der EFSF quasi als Versicherer für Staatsanleihen von Krisenländern auftreten. Bei einer Staatspleite ist dann aber auch die Haftungssumme für die Gläubiger - bei EZB und EFSF sind das am Ende die Steuerzahler - um ein Vielfaches größer.

Parallel wird diskutiert, ob der EFSF eine Banklizenz erhalten soll. So könnte er selbst Anleihen kaufen, und diese als Sicherheit für frisches Geld bei der Notenbank hinterlegen. Mit der unbegrenzten Kreditlinie könnte der Fonds ständig neue Schuldtitel der Problemländer erwerben.

Der Fonds könnte auch für Länder außerhalb der Eurozone geöffnet werden. „Das würde die Risiken verteilen und die Möglichkeiten des EFSF erweitern. Allerdings würde man sich Fremde ins Boot holen, die Einfluss nehmen können“, sagte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel.

Der Rettungsfonds soll doch gerade erst aufgestockt werden. Reicht das nicht aus?

Politik, Ökonomen und Märkte sind sich einig: Selbst der auf 780 Milliarden Euro erhöhte Garantierahmen würde nicht ausreichen, falls sich die Krise in einem Flächenbrand ausbreitet und Italien oder Spanien erreicht - zumal der EFSF künftig auch Anleihen angeschlagener Euroländer kaufen soll.

Das macht seit Mai 2010 die Notenbank - unter dem Protest der deutschen Ratsmitglieder. In den Büchern der EZB schlummern Papiere im Wert von 156,5 Milliarden Euro. Das angestrebte EFSF-Volumen könnte also schnell aufgebraucht sein.

Bisher scheiterte die Politik mit dem Versuch, die Märkte zu beruhigen. Welche Wirkung hat die Debatte um Hebelkredite?

Die Märkte nahmen die jüngsten Vorschläge dankbar auf: Am Montag schloss der deutsche Leitindex Dax mit 2,87 Prozent im Plus, am Dienstag legte er zeitweise knapp 4 Prozent zu. „Momentan haben ... die Optimisten etwas Oberwasser, die das Leveraging des EFSF als Königsweg ansehen, um die finanzielle Schlagkraft des Rettungsschirms auf bis zu 2 Billionen Euro auszuweiten“, kommentierte die HSH Nordbank: „Das wäre dann rechnerisch ausreichend, um notfalls auch Spanien und Italien mit stützen zu können.“

Was spricht gegen die Vorschläge?

Aus Sicht der HSH Nordbank hat die Bundesregierung genug damit zu tun, für die EFSF-Stärkung eine eigene Mehrheit im Bundestag zu organisieren: „Da stellen die Überlegungen zur Hebelung des Rettungsschirms einen Risikofaktor dar. Denn die Hebelung dient ja letztlich dem Zweck, mit dem bestehenden Kapital- und Bürgschaftsrahmen ein Mehrfaches an Nominalvolumen absichern zu können.“ Das bedeute, dass das Risiko für die Garantiegeber ebenfalls vervielfacht werde: „Das würde den Risikogehalt der jetzt zur Abstimmung stehenden erhöhten deutschen Beteiligung am EFSF massiv erhöhen und kann letztlich die Bonität Deutschlands gefährden.“ Damit laufe die auf den ersten Blick so charmante und verklausulierte Idee der EFSF-Hebelung den deutschen Interessen zuwider.

Wie wertet die Bundesbank die Vorschläge?

Bundesbankpräsident Jens Weidmann lehnt Staatsanleihekäufe der EZB ab. Er hat daher eine rasche Umsetzung der geplanten EFSF-Reformen angemahnt. Diese ermöglichen es dem Rettungsfonds, Staatsanleihen zu kaufen, die EZB könnte ihr Programm womöglich zurückfahren.

Allerdings darf die EZB aus Weidmanns Sicht nicht als Steigbügelhalter für eine EFSF-Hebelung dienen - deshalb lehnt er eine Banklizenz für den Fonds strikt ab. Weidmann sieht folgende Gefahr: Die EZB müsste auf Verlangen des politisch gesteuerten EFSF Geld drucken, ohne Einfluss auf Menge und Herkunft der Anleihen zu haben.

Kann die EZB denn unbegrenzt Anleihen kaufen?

Ja, sie kann. Allerdings bläht sie damit ihre Bilanz auf und holt sich Risiken ins Haus: „Geht ein Land pleite, bleibt die Notenbank auf den Lasten sitzen und damit der Steuerzahler“, sagt Christian Schulz von der Berenberg Bank. Theoretisch könne die Politik der EZB in diesem Fall erlauben, die Staatsschulden zu monetarisieren - also einfach Geld zu drucken, um die Schulden zu begleichen. Das ist bisher allerdings streng verboten.