Friedrich: Einige Behörden haben „kläglich versagt“
Essenbach (dpa) - Angesichts der Fahndungspannen in der Neonazi-Mordserie hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) einzelnen Sicherheitsbehörden gravierende Fehler vorgeworfen.
Zwar könne man das noch nicht abschließend beurteilen, sagte er. „Aber es sieht so aus, als ob einige Behörden kläglich versagt haben.“
„Keine Frage: Es wird der eine oder andere sich einer peinlichen Befragung unterziehen müssen. Wir werden sehen, was da auch an Strukturen falsch gelaufen ist und Konsequenzen ziehen“, sagte Friedrich. Mit Blick auf die zunehmende Zahl von Verdächtigen betonte der Bundesinnenminister: „Es sieht so aus, als ob die Strukturen doch größer sind, als wir uns das vorgestellt haben, und damit noch gefährlicher, wenn es nicht gelungen ist, trotz einer größeren Gruppe Hinweise zu bekommen.“ Das mache „sehr unruhig“. Und deshalb werde man an die Verfassungsschützer vor Ort schon einige Fragen haben.
Friedrich sprach sich dafür aus, die Position der Bundesanwaltschaft und des Generalbundesanwalts zu stärken. „Wenn wir erkennen, dass es grenzüberschreitende Verbrechen gibt und eine Serie von Verbrechen gibt, dann muss eine stärkere Koordinierungsfunktion des Generalbundesanwalts möglich sein.“ Das werde man nun in Ruhe mit den zuständigen Länderministern besprechen, kündigte er an.
Das geplante Abwehrzentrum gegen Rechts und die geplante Verbunddatei nannte Friedrich dringend notwendig. Alles, was man an Erkenntnissen habe, wolle man allen Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen. Zudem sprach sich Friedrich dafür aus, Akten zu Neonazis länger aufzubewahren. Heute beträgt die Frist in der Regel fünf Jahre.
Einen Komplettabzug der V-Leute des Verfassungsschutzes aus der rechtsextremistischen Szene lehnte Friedrich strikt ab. „V-Leute sind unverzichtbar - das ist eine Wahrheit, die wir auch so erkennen sollten. Alles andere wäre sehr gefährlich.“ Er warnte deshalb davor, die grundsätzliche Notwendigkeit von V-Leuten infrage zu stellen.
Ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren sieht der CSU-Politiker daher nach wie vor äußerst skeptisch. „Ich habe keinerlei Zweifel, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist“, betonte er. Die Hürden für ein Verbot seien aber sehr hoch. Unter anderem müssten die V-Leute in der NPD abgeschaltet werden, zumindest die in den Führungsetagen - was aber ein „hohes Risiko“ bedeuten würde. Man würde dann über einen Zeitraum von möglicherweise mehreren Jahren nicht ins Innere der NPD schauen können, warnte Friedrich. Das müsse man sehr gut abwägen. Friedrich räumte aber ein, dass sich die Waagschale „deutlich“ in Richtung eines neuerlichen Verbotsverfahrens gesenkt habe.
Der Minister nahm Politik und Sicherheitsbehörden vor pauschalen Vorwürfen in Schutz, Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren nicht entschieden genug bekämpft zu haben. „Auf dem rechten Auge war niemand blind. Diesen Vorwurf muss man sich nicht gefallen lassen.“ Friedrich mahnte, es dürfe nicht zu einem Reflex werden, der Polizei und den Sicherheitsorganen in den Rücken zu fallen und diese zu verdächtigen. „Weder in der Politik, noch in der Gesellschaft, noch in den Medien darf es sein, dass staatliche Institutionen demokratischer Staaten per se verdächtigt werden, in irgendeiner Weise herabgewürdigt werden, und man auf jeden Fall schon einmal einen Verdacht aussprechen darf, noch bevor man irgendein Faktum hat.“
Friedrich verurteilte links- und rechtsextremistische Gewalt mit scharfen Worten. Er sprach von Angriffen auf den Staat und die friedliche Gesellschaft und von einer „menschenverachtenden Ideologie“, die viel angerichtet habe - „auch was das Image unseres Landes in der Welt angeht“. Dagegen müsse sich die demokratische Gesellschaft engagiert zur Wehr setzen, mahnte der CSU-Politiker.